SABA: Aus Eins mach Drei
Entlassungen und Doppelschichten
„Lange Gesichter [gab es] gestern Vormittag bei einer der längsten Betriebsversammlungen in der 61jährigen Saba-Geschichte! Die Geschäftsführer Köberle und Harleß konfrontierten die Arbeitnehmer mit der Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Schließung des Werkes in Friedrichshafen 100 indirekte Mitarbeiter‘ (hochqualifizierte Technologen und Kräfte aus der Administration) freigestellt, das heißt entlassen werden müssen.
Außerdem müsse man „aufgrund der fortschreitenden Automatisierung im Chassis1 -Bereich und der damit verbundenen Millionen-Investitionen … für rund 200 Beschäftigte sogenannte Doppelschichten einführen“. Die teuren modernen Anlagen mussten sich schließlich lohnen, die Maschinen konnten nun täglich 16 Stunden laufen2 .
Aus der SABA wurden drei Betriebe gemacht
Neu war auch: Aus der SABA wurden drei Betriebe gemacht, eine Vertriebsgesellschaft (SABA GmbH) und eine Produktionsgesellschaft (Schwarzwälder Elektronik Werke GmbH/ SEWEK). Außerdem sollte es eine Deutsche Thomson-Brandt GmbH mit Sitz in Villingen geben, „in die auch das neue internationale Entwicklungslaboratorium für die gesamte Unterhaltungselektronik des französischen Giganten integriert sein wird.“3
Im September 1981 wurde der Antrag gestellt den Saba-Betriebskindergarten an die Stadt Villingen-Schwenningen zu übergeben. „Ein Symptom für den Klimawechsel“ vom Familienunternehmen zur Konzerntochter4 .
Die drei Geschäftsführer: Dr. Alexander Lentze (SABA GmbH), Johann Georg Feuring (SEWEK) und Dr. Rudolf Köberle (Deutsche Thomson-Brandt), sahen nun wieder „Licht am Ende des Tunnels“. Geschäftsführer Feuring von SEWEK begründete die Entlassungen, sie seien notwendig, wenn das Unternehmen gesunden soll5 .
1982 – 750 Freistellungen
Dies bedeutete, dass bereits Ende Januar 1982 bei SEWEK weitere Entlassungen angekündigt wurden. Ein Gesamtkonzept sah 750 Freistellungen vor6 .
Im Mai 1982 übernahm der Thomson Brandt-Konzern die in Konkurs geratene St. Georgener Firma Dual. Das Land Baden- Württemberg erleichterte diesen Schritt durch Gewährung eines 40 Millionen DM –Darlehens7 .
Nur Konzerne überleben?
Darüber wie 1982 in Deutschland Fernsehgeräte hergestellt wurden, schrieb die FAZ am 12.10.1982. „Um in dieser Zeit eine Fernsehgerätefabrik mit Gewinn zu betreiben, bedarf es zunächst einmal der großen Serie…die große Serie aber erzwingt Firmenzusammenschlüsse, die sich nur ertragsstarke Konzerne leisten können., die dann auch die Mittel für kostspielige, aber unerlässliche Fertigungs-Rationalisierung aufbringen. Folgerichtig wachsen in Europa Großgruppen heran.“ Das bedeutete, dass „in Villingen … keine Endprodukte mehr gefertigt [werden] sondern ausschließlich hochrationell die Chassis für Farbfernsehempfänger, die dann per Lastwagen nach Bremen gelangen und dort zu fertigen Farbfernsehgeräten der Marken Nordmende und Saba montiert werden… Schon ‚nagelt‘ eine Reihe von japanischen Bestückungsmaschinen Typ Panaser DM t pro Stunde jeweils 6000 elektronische Bauelemente auf die Druckplatinen, die im Werk mit einer Tagesrate von 1200 M2 hergestellt werden.
An anderer Seite steht das Feinste vom Teuren: Nitto-Automaten für jeweils 800000 DM bestücken Platinen mit den winzigen ‚Melfs‘. Das sind Widerstände mit nur 2,2 mm Durchmesser. Diese Winzlinge werden in Partien zu 300 Schablonen geschossen, dann mit einem Vakuumheber auf die vorbereitenden Platinen geklebt und schließlich verlötet. So entstehen arbeitstäglich 3600 Chassis, die sogar vollautomatisch abgeglichen werden.“… „Saba und Nordmende haben zusammen etwa 20 Prozent Anteil am bundedeutschen Markt für Farbfernsehempfänger oder nahezu ebenso viele wie Grundig. Das bedeutet einen Inlandsabsatz von etwa 480 000 Geräten; der Rest wird exportiert.“8
Im Juni 1983 war die Saba angeblich wieder in der Gewinnzone. „Die Saba GmbH beschäftigt derzeit 614 Mitarbeiter, von denen 414 in den Zentralbereichen Villingen und Rottweil tätig sind. Ein Personalabbau, so Geschäftsführer Lentze, sei in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die meisten der früheren Saba-Mitarbeiter sind heute bei der SEWEK beschäftigt (1350, daneben noch 230 im Thomson-Entwicklungslabor.)“ auch die SEWEK (Schwarzwälder Elektronik-Werke) würden wieder mit Gewinn arbeiten.9
Eine Analyse des Unterhaltungselektronikmarktes gab 1984 Dr. Alexander Lentze, Direktor der Saba GmbH10
Ist der europäische Erfindergeist eingeschlafen?
„In weniger als 30 Jahren haben sich zu den Klassikern der Branche, nämlich Radio und Plattenspieler, erstaunliche elektronische Neuheiten gesellt.- Erst das Schwarzweiß- dann das Farbfernsehgerät, Casetten- und Radio-Cassetten-Recorder, Hifi-Anlagen und dann Video-Recorder und Video-Cameras. Die Technische Entwicklung galoppiert.“ Dies seien eigentlich günstige Voraussetzungen für die Unterhaltungselektronik-Branche. Leider gebe es die Konkurrenz aus Fernost, „weil der europäische Erfindergeist satt eingeschlafen sei.“ Besonders wettbewerbsschädigend seien nach Lentze die europäischen Sozialstandards. „Die soziale Verantwortung, die der deutsche und europäische Industriemanager zu Recht trägt, dürfte in Japan ungläubiges Erstaunen auslösen. Für uns in Europa, rein ökonomisch gesehen, ein Wettbewerbsnachteil, der nicht abgebaut werden kann. Wir müssen damit leben, obwohl das höchste Einkommen, die kürzeste Arbeitszeit, der längste Urlaub und die größte soziale Sicherheit absolut keine förderlichen Elemente in der weltweiten Wettbewerbsauseinandersetzung sind.“
„Viele Millionen wurden in die Fertigungstechnik gesteckt“. Die Villinger Fernsehgeräte-Produktion gehöre zu den modernsten Fertigungsstätten der Welt. Auch das Zentrale Thomson-Brandt-Entwicklungslabor für Unterhaltungselektronik in Villingen wurde mit „vielen Millionen“ aufgebaut.- Dies seien alles Zeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs für diese Region.
Saba gehöre zu den drei bedeutendsten unter insgesamt 44 Fernsehgeräteherstellen auf dem bundesdeutschen Markt, zu den drei führenden Herstellern von Video-Rekordern unter 37 Herstellern. Allerdings „über 100 Hersteller, davon der überwiegende Teil aus Fernost, machen uns das Leben auf dem HiFi-Geräte-Markt schwer.“
Europa: Abladeplatz für Überkapazitäten
Für die Konkurrenz aus Fernost sei der bundedeutsche Markt „ein Abladeplatz für Überkapazitäten“. Diese Überkapazitäten würden schließlich gerade deutsche Arbeitsplätze gefährden.
Der Exportanteil der Saba betrug 1984 36,7 %, Hauptumsatzträger war das Farbfernsehgerät mit 57 %, 1983 wurden in der Saba-Vertriebsgesellschaft immer noch 615 Mitarbeiter und in der SEWEK 1800 beschäftigt.11
Im November 1984 trat für Thomson Brandt ein neuer Gesellschaftsvertrag in Kraft. Aus der SEWEK wurde die DEWEK. Bestandteil war ein „Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag“ zwischen der Dagfu (Deutsche AG für Unterhaltungselektronik) und der DEWEK (vereinigte Deutsche Elektronikwerke GmbH)12
Das mörderische Preisdumping in der Unterhaltungselektronik ging weiter, besonders im Farbfernseh- und im Videobereich. Man habe die Preissenkungen nicht mitgemacht und dafür leichte Marktanteilverluste hingenommen13 .
1984 setzte die Dagfu14 (die deutschen Hersteller der Thomson-Gruppe) insg. 2,86 Milliarden Mark um.
- Chassis – ist hier das Trägersystem für Leiterplatten. [↩]
- SK 22.12.1981 „Geschäftsführer sehen Licht am Ende des Tunnels.“ In der Produktion wird investiert und rationalisiert. Es werden Doppelschichten eingeführt. Mögliche Freistellungen werden angesprochen, die zur ‚Gesundung‘ des Unternehmens beitragen sollen. [↩]
- A.a.O. [↩]
- BZ 4.9.1981 „Aus“ für den letzten Betriebskindergarten? Saba stellt Antrag an die Stadt auf Übernahme der Trägerschaft. Siehe auch BZ 3./4. /.1982 Stadt kann die Saba-Kindertagesstätte nicht übernehmen (Kinder werden z.T. in andere Kindergärten integriert.) [↩]
- A.a.O. [↩]
- Schwabo 28.1.1982 Weitere Entlassungen für 1982 angekündigt. Betriebsversammlung bei den Schwarzwälder-Elektronik-Werken. „Auch im Laufe dieses Jahres muss mit Entlassungen – vermutlich etwa 400 – bei den Schwarzwälder Elektronik-Werken (ehemals Saba) gerechnet werden. Dies wurde in der ersten Betriebsversammlung mitgeteilt. Notwendig werden diese Freistellungen durch die fortschreitende Rationalisierung, die von Thomson-Brandt durch hohe Investitionen anvisiert wird. Die neuerlichen Entlassungen gehören in ein Gesamtkonzept, das insgesamt 750 Freistellungen umfasst… Bis Ende Dezember letzten Jahres wurden 150 Arbeitnehmer gekündigt, weitere 45 schieden freiwillig aus. Damit wurde die anvisierte Zahl von 350 für das Jahr 1981 nicht erreicht… Allerdings wird man um weitere Reduzierungen des Personalstandes angesichts des Kostendruckes aus Fernost nicht umhin können. In Japan wurde in den letzten Jahren bereits um 30 Prozent reduziert, in der Bundesrepublik sind es ‚erst‘ 17 Prozent.“ [↩]
- BZ 21.5.1982 Ungewissheit beendet: Thomson Brandt übernimmt Dual. 600 bis 700 Arbeitsplätze bleiben zunächst erhalten – Partielle Angliederung an Villinger Saba-Werke –Staatsdarlehen von 40 Millionen Mark. [↩]
- SK 13.10.1982 Saba-Fernsehgeräte kommen von der Waterkant. (Umfangreicher Bericht in der FAZ am 12. 10.1982 Autor Tetzner) SABA Geschäftsbericht. 1982 ist ein wirtschaftlich schlechtes Jahr für die [↩]
- BZ 3.6.1983 Die Villinger Saba nach miesen Jahren wieder in der Gewinnzone. [↩]
- SK 13.4.1984 Dr. Alexander Lentze, Direktor der Saba GmbH, Villingen-Schwenningen. Vom Millionen- zum Milliardenmarkt. Deutsche Industrie für Unterhaltungselektronik hat Herausforderung angenommen. [↩]
- Sk 19.5.1984 Saba wieder obenauf. Machte im Geschäftsjahr 1983 10 Millionen DM Gewinn. Die Fa. habe einen Exportanteil von 36,7 %, Hauptumsatzträger sind die Farbfernsehgeräte mit 57 %, 1983 gab es 615 Mitarbeiter in der Saba, in den Schwarzwälder Elektronikwerken arbeiteten 1800 Beschäftigte. [↩]
- BZ 10.11.1984 “Dewek”/ Saba/ Neuer Vertrag in Kraft. [↩]
- SK 28.8.1985 Thomson-Töchter arbeiten in der Gewinnzone Saba mußte allerdings 1984 Umsatzeinbußen von 4 Prozent hinnehmen- harter Wettbewerb. Pulina/Saba: „Vor allem im Farbfernsehen- und Videobereich haben wir die Dumpingpreispolitik der in- und ausländischen Konkurrenz nicht mitgemacht.“ Und so habe man ganz bewußt leichte Marktanteilverluste in Kauf genommen.’ Bei der Preispolitik gelten wir derzeit als einsamer Rufer in der Wüste‘, erläuterte der Pressesprecher die Marktsituation. Pulina.‘Preiserhöhungen sind notwendig, will die Branche nicht weiter in die Krise geraten.‘… Pulina: ‚1984 war das schlechteste Jahr seit 20 Jahren.‘ „SK 31.8.1985 Saba hofft auf rosigen Herbst. Lentze in Berlin: „Daß die Unterhaltungselektronik in einer tiefen Krise steckt, lasse sich an zwei Zahlen ablesen: ‚Im vergangenen Jahr mußten die Hersteller einen Verlust von 500 Millionen DM, der Fachhandel ein Minus von 300 Millionen DM hinnehmen. Für Lentze ist eine Anhebung der Preise der einzige Ausweg.“ Auch die Saba blieb von dem Abwärtstrend nicht verschont. „Um 4 Prozent auf 705 Millionen DM ging der Umsatz zurück. Nach einem Bilanzergebnis von 10 Millionen DM 1983, wurde 1984 keine Rendite mehr erwirtschaftet.“ [↩]
- Südkurier v. 28.8.1985 Thomson-Töchter werfen Gewinn ab. Die Dagfu war Ende 1983 als Kapitalverwaltungsgesellschaft aller in der Bundesrepublik arbeitenden Tochterunternehmen der Thomson-Gruppe gegründet worden. SK 20.12.1985 Wer ist dagfu? Die früher selbständigen Firmen Saba, Nordmende und Dual sind heute nur noch „reine Vertriebsfirmen“ und bauen keine Geräte mehr. In Villingen werden bei Dewek nur noch Leiterplatten und Chassis hergestellt, zusammengebaut werden die Geräte bei Dewek in Bremen. „In St. Georgen baut Dewek Hifi-Geräte, Plattenspieler und CD-Player. Nach einem Geschäftsbericht aus Villingen-Schwenningen. „Zur Holding mit Sitz in Villingen-Schwenningen [gehörten] die Allgemeine Finanzierungs- und Handelsgesellschaft mbH (Bremen), die Deutsche Thomson-Brandt GmbH und die DEWEK Vereinigte Deutsche Electronic-Werke GmbH (beide Villingen-Schwenningen), die DUAl GmbH (St. Georgen), die NEWEK Neue Electronic-Werke GmbH (Hannover), die Nordmende GmbH (Bremen), die SABA GmbH (Villingen-Schwenningen), die Telefunken Fernseh und Rundfunk GmbH (Hannover), die Thomson Brandt Hausgeräte GmbH (Mainz) und die Thomson Electronic GmbH (Bremen).“ [↩]