Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Mauthe: Der Weg in den Konkurs

geschrieben am: 28.01.2015 von: Annemarie Conradt-Mach in Kategorie(n): Uhrenfabrik Mauthe, Mauthe-Konkurs

Dauernde Zahlungsschwierigkeiten
Obwohl im Oktober 1974 das Kiss Kiss Experiment allgemein noch als Erfolg angesehen wurde, waren die Zahlungsschwierigkeiten der Firma Mauthe nicht zu übersehen. Im Oktober 1974 bereits setzte sich der Verband der deutschen Uhrenindustrie für die Fa. Mauthe ein mit einer Bitte an die Bürgschaftsbank Baden-Württemberg dem Unternehmen mit einem Kredit bei der Verbesserung seiner Zahlungsfähigkeit zu helfen.1
Am 13. 12. 1974 wurde die Belegschaft in einer Betriebsversammlung über die prekäre Situation bei Mauthe unterrichtet. „Alle drei seitherigen Geschäftsführer, Dr. Jürgen Jung, Hans Frieder Bertsch und Dieter Reiber scheiden zum Jahresende aus. Alleiniger Geschäftsführer wird der 36jährige Wolfgang Sass sein, der bislang den Posten des kaufmännischen Leiters bekleidete. Auch die in eine GmbH umgewandelte Mauthe-Uhrenvertriebs GmbH… wird ab Januar 1975 nur einen Geschäftsführer haben: Albert Lauer (55), der schon seit 15 Jahren dem Unternehmen angehört… Diese Umbildung in der Geschäftsführung ist das Ergebnis einer Gesellschafterversammlung, die schon vor Wochen stattfand. Bislang wollte man bei Mauthe jedoch damit nicht an die Öffentlichkeit … Geschäftsführer Sass … betonte, dass an Entlassungen in größerem Umfang nicht gedacht sei. Im Einzelfall sei jedoch nicht auszuschließen, dass Mitarbeiter in der einen oder anderen Abteilung freigesetzt würden.“2
Mauthe musste sparen. Am 20. Januar 1975 wurde der Mauthe-Kindergarten geschlossen,3
gleichzeitig begann die Kurzarbeit. Die Geschäfte bei Mauthe gingen weiter. Die Lage war allerdings auch für die Auslandsvertreter von Mauthe schwieriger geworden.4

Foto vom Foire de Milan 1975 (29.4.1975)

Foto vom Foire de Milan 1975 (29.4.1975)

In einer Gesellschafterversammlung vom 27. Februar 1975 forderten die beiden Geschäftsführer Sass und Lauer die anwesenden Gesellschafter auf den Vergleichsantrag zu stellen. Dazu brauche man aber eine Million DM, da man damit rechne, dass alle Lieferanten bei Bekanntwerden des Vergleichsantrags Vorauskasse verlangen würden. Eine Weiterführung des Unternehmens ohne Vergleich würde dagegen finanzielle Mittel zwischen 2 – 2,5 Mio DM benötigen.5   Wolfgang Sass legte den Anwesenden einen „ Gesamtbilanzverlust (von) nunmehr von rd. 14,1 Mio DM“ vor. Sass war der Überzeugung, dass wegen der erheblichen Grundstückswerte der Firma noch keine Überschuldung vorliege. Wegen des Liquiditätsengpasses sei aber ein Vergleich oder ein Konkurs nicht mehr abwendbar.6
Diesen Engpass hoffte Wolfgang Sass durch Grundstücksverkäufe, einem erhofften Darlehen der Landeskreditbank und einem Zuschuss der Gesellschafter zu lösen.7
Sass schlug einen Deal vor, von dem er glaubte, dass er für die Gesellschafter besonders günstig sei8 , welcher aber dem Unternehmen einen Zufluss von 1,9 Millionen DM an liquiden Mitteln bringen sollte9 .
Trotz dieser finanziellen Risiken wurde bei Mauthe nach Möglichkeit weiter produziert, wenn auch in bestimmten Unternehmensbereichen wegen Materialmangels immer wieder Kurzarbeit durchgeführt wurde. Auch auf europäischen Messen war die Friedrich Mauthe GmbH 1975 noch vertreten.

Grundstücksverkauf an die Stadt Villingen-Schwenningen

Am 30. April 1975 wurde der Grundstücksankauf zwischen der Firma Mauthe und dem Gemeinderat der Stadt Villingen-Schwenningen in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt. Die Stadt Villingen-Schwenningen hatte ein großes Interesse daran die Fa. Mauthe schon wegen der Arbeitsplätze zu erhalten, obwohl die aktuelle Finanzlage der Stadt den Grundstückskauf eigentlich nicht zuließ.
Es wurde beschlossen: Die WBAG10 erwirbt von der Fa. Friedrich Mauthe GmbH das Grundstück Kronenstrasse 17 und 17a, Muslen 26 und Pfarrer-Schmid-Strasse 3. Im Gegenzug erwartete die Stadt, dass „die Anteilseigner der Fa Mauthe sich mit einer Summe von 1 500 000 DM ebenfalls an der Sanierung“ des Unternehmens beteiligten. Der Kaufpreis des Grundstücks betrug 3 600 000.- DM.11

 

Mauthe Rundbau (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Mauthe Rundbau (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Oberbürgermeister Dr. Gebauer argumentierte vor dem Gemeinderat: „man habe sich überlegt, inwieweit es möglich ist, daß die Stadt der Firma Mauthe helfe, die derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überbrücken. Man könne nur einen Anstoß geben, daß das Schifflein der Firma wieder in Bewegung gerate. Über diese Dinge seien eingehende Berichte von Seiten der Geschäftsführung der Firma Mauthe erstellt worden. Die Meinung der Geschäftsführung gehe dahin, daß mit den Mitteln, die von der Stadt zur Verfügung gestellt werden, unter der Voraussetzung, daß weitere Maßnahmen der Anteilseigner getroffen werden und dann auch die Landeskreditbank bereit sei, sich finanzielle durch zinsgünstige Kredite zu engagieren, doch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, daß hier eine echte Chance gegeben sei, die Firma wieder flott zu machen.“ Der Oberbürgermeister hoffte die von Mauthe erworbenen Gebäude der Berufsakademie bzw. der Polizeifachhochschule vermieten zu können. „Man wolle auf der anderen Seite den ernsthaften Versuch machen, die Firma Mauthe über die Runden zu bringen… Er gehe davon aus, daß das Regierungspräsidium in Verbindung mit dem Innenministerium und dem Wirtschaftsministerium eine Ausnahmegenehmigung für die WBAG geben werde, wenn die Stadt darstelle, daß es sich um eine wirtschaftliche Sanierungsmaßnahme einer Firma handle, die jetzt der Konjunkturflaute zum Opfer zu fallen drohe.“12  Außerdem konnte die Stadt davon ausgehen, dass auch die Mauthe-Gesellschafter noch Mittel zur Verfügung stellen würden. „Die Geschäftsführung (von Mauthe) habe heute mitgeteilt, sie sei sicher, daß die Anteilseigner bereit sind, in der Größenordnung von 1 bis 1,5 Millionen DM zusätzliches Kapital in die Firma hineinzugeben. Man sollte bedenken, daß es sich um 18 Leute handle, die teilweise mit der Firma nur noch sehr lose Beziehungen haben.“13 Allerdings müsse man schnell handeln, man habe nur noch bis Mitte Mai Zeit, so der Oberbürgermeister.

Gutachten zur Lage bei Mauthe

Zwischen dem 13. und dem 16. Mai wurde bei Mauthe eine Untersuchung durchgeführt mit dem Ziel verlässlichere Aussagen über den Fortbestand des Unternehmens zu machen.
Dr. Heinz Schäfer führte im Auftrag des Rationalisierungskuratoriums der Deutschen Wirtschaft die Untersuchung durch. Er stellte in seinem Gutachten fest: Mauthe produziere mechanische Großuhren, nur ganz wenige elektronisch gesteuerte Uhren, Kleinstmotoren und Lautsprecherboxen für Dual. 60 Prozent der Produktion gehe ins Ausland.14
„Mit Ausnahme des Jahres 1968 wurde in den zurückliegenden zehn Jahren in der Bilanz immer ein Verlust ausgewiesen.15
Die Liquidität werde zum 30.4.1975 durch Zahlungsverpflichtungen und offene Wechsel in Höhe von 6,5 Mio DM beeinflusst, darin enthalten seien 210 00 DM Gehälter und 127 000 DM rückständige Löhne. Dem Liquiditätsdruck begegne die Geschäftsleitung mit „permanenter Kurzarbeit.“16
Bei optimistischster Bewertung der Lage gebe es eine Unterdeckung von 4,6 Mio DM unter der Voraussetzung, dass Grundstücke verkauft, dass Kiss-Kiss-Lager abgebaut werde, die Gesellschafter den erwarteten Zuschuss zur Verfügung stellten und die Landeskreditbank einen zinsgünstigen Kredit gebe. Der Jahresverlust entspreche etwa dem durch diese angeführten Aktionen erzeugten zusätzlichen Liquiditätsspielraum.17
Schäfer kommt zu folgenden Schlussfolgerungen für die Zukunft des Unternehmens: „Wenn überhaupt, dann kann das Unternehmen lediglich über den zusätzlichen Zufluss liquider Mittel in der Mindesthöhe von 7.7 Mio“ überleben. Mauthe brauche als „Produktionsunternehmen“ vor allem Investitionen „Investitionen sowohl in der Fertigung als auch in der Entwicklung neuer Produkte“.18

Bemühungen um einen Vergleich

Die Millionen der Stadt wurden überwiesen19 , das versprochene Geld der Gesellschafter blieb aus und die Verhandlungen um einen zinsgünstigen Kredit der Landeskreditbank kamen nicht voran. Die mangelnde Liquidität führte dazu, daß die Gehälter nicht mehr ordnungsgemäß ausgezahlt werden konnten.20
Die Landeskreditbank lehnte Ende Mai 1975 den von Mauthe beantragten Kredit erst einmal ab.21
Diese Ablehnung der Landeskreditbank fand bei den Betroffenen in Villingen-Schwenningen kein Verständnis und führte Ende Juni zu einer kleinen Anfrage des Abgeordneten Adam Berberich im Landtag.22
Die Stuttgarter Zeitung berichtete darüber am 26.Juni 197523  : „Zu einer heftigen Kontroverse ist es im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten bei der Schwenninger Firma Mauthe zwischen dem Oberbürgermeister ( Gebauer) (SPD) sowie einem SPD-Stadtrat und dem Vorstandsvorsitzenden der Landeskreditbank Baden-Württemberg, dem CDU-Landtagsabgeordneten Rolf Schöck, gekommen. Die Kreditbank hatte einen Millionenkredit trotz Grundstücksverkauf der Firma an die Stadt abgelehnt.“
Schöcke, Vorstand der Landeskreditbank, erklärte in einem Fernschreiben an die Presse, das Kreditbegehren der Fa Mauthe sei bereits im Dezember (1974) abgelehnt worden, „weil die Voraussetzungen für eine Konsolidierung … nicht gegeben seien. Die Mauthe-Geschäftsleitung habe auch danach nicht die Bedingungen für eine Gesundung des Unternehmens schaffen können… Eine Hilfe der Bank durch einen mit Steuergeldern verbilligten Kredit sei nicht möglich, da es nicht Aufgabe des Staates sei, Unternehmen mit Steuermitteln zu stützen, bei denen keine Chance mehr bestehe, im Wettbewerb zu bestehen.“ Die Geschäftsleitung bei Mauthe, der Oberbürgermeister und der Stadtrat Hugo Rösch waren empört. „Die Landeskreditbank sei als staatliches Instrument gegründet worden, um mitzuhelfen, die Strukturprobleme der Wirtschaft zu lösen.“24
Am 9.Juni wurde der Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens gestellt. Vergleichsverwalter wurde Prof. Dr. Fischer, der bereits beim Kaiser-Konkurs und dem Konkurs der Fa Blessing Waldkirch aktiv war. Da durch das Vergleichsverfahren erst einmal fast alle finanziellen Transaktionen gestoppt wurden, konnten auch weitere Lohn- und Gehaltszahlungen erst verspätet und nicht in voller Höhe erfolgen.25
Am 24.6. 1975 fand wegen der neuen Situationeine außerordentliche Gesellschafterversammlung statt.26  In dieser Versammlung wurde der Vergleichsverwalter vorgestellt. Wesentlicher Verhandlungsgegenstand war es die Gesellschafter davon zu überzeugen, dass sie „die (immer noch bestehende) Finanzierungslücke“ für das Vergleichsgericht und die Gläubiger schließen müssten. Die Vergleichsverwaltung, Prof. Dr. Helmut Fischer, stellte fest, dass „aufgrund der aktuellen Finanzierungslücke“ ein Vergleich nicht möglich sei.27
Die anwesenden Gesellschafter erklärten sich in der Diskussion erneut bereit finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn diese eingesetzten Mittel nicht nur dazu dienen würden „den Untergang des Unternehmens zeitlich hinauszuschieben.“28  In einer weiteren außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26.9.1975 schätzte der Geschäftsführer Wolfgang Sass die Überlebenschancen der Firma Mauthe zwischen 1 und 5 Prozent ein29  und hoffte immer noch auf eine Liquiditätshilfe durch die 19 Mauthegesellschafter.

  1. SAVS 4.9-999 Schreiben des VDU v. 31.10.1974 []
  2. SAVS 4.9-999 Schwabo 14.12. 1974. Zum Jahresende scheiden alle drei Mauthe-Geschäftsführer aus. Neu: Ein-Mann-Geschäftsführung in Produktion und Vertrieb. []
  3. SAVS 4.9- 999 SWP 29.1.1975 Mauthe-Betriebskindergarten machte Pforten dicht. Hohe Kosten – wenig Kinder. „Als am 20. Januar die Kurzarbeit für alle Betriebsangehörigen begann, schließt man für immer seine Pforten… Im Jahre 1961 war der Betriebskindergarten ins Leben gerufen worden. In seinen besten Zeiten war er Aufenthaltsstätte für rund 30 Kinder, kurz vor seiner Schließung beherbergte er noch neun Kinder.“ []
  4. Mauthe Archiv Geschäftsunterlagen Januar-März 1975, Benelux-Reise 16.- 25.2. 1975 v. 29.1.1975 S. 2 und Frankreichbesuch v. 4.2.1975 S. 3 „Der Grossist Meier in Frankreich möchte wie vormals bei Kaiser den Alleinvertrieb in Frankreich für Mauthe-Uhren.“ „Die Konkurrenz, insbesondere Kienzle in Belgien, hatte dafür gesorgt, daß unsere schwierige wirtschaftliche Lage hinlänglich bekannt war.“ []
  5. Mauthe-Archiv Geschäftsunterlagen Januar-März 1975, Einladung zu einer außerordenlichen Gesellschafterversammlung am 10.3.,1975 um 13. Uhr im Beethovenhaus, kleiner Saal am 27.2.1975 v. Sass und Lauer. S. 1-3. S. 1 „Die Liquiditätslage, beurteilt von zwei Seiten, nämlich von der Verbindlichkeitsseite aus und von der Notwendigkeit, wegen der hohen Verbindlichkeiten einerseits und der fehlenden Bereitschaft der Lieferanten, weiter auf Kredit zu liefern, andererseits, bringen das Unternehmen in die Situation, Löhne und Gehälter nur noch schleppend, freie Rechnungen gar nicht mehr zahlen zu können, so daß die Gefahr des Wechselprotestes bei jeder Wechselfälligkeit gegeben ist.“ Grundstücksverkäufe brachten noch kein endgültiges Ergebnis. S. 2 Der Geschäftsführer stellt den Antrag „einen gerichtlichen Vergleichsantrag zu stellen.“ Dazu brauche man aber eine Million, da man damit rechne, dass alle Lieferanten dann Vorauskasse wollen. S. 3 Eine Weiterführung des Unternehmens ohne Vergleich würde aber finanzielle Mittel zwischen 2 – 2,5 Mio benötigen. Anhang: eine Liste von nicht betriebsnotwendigen Grundstücken, überwiegend Wohngebäude. []
  6. A.a.O. Kurzfristig fehlten angeblich 6 003 TDM (Rechnungen, Wechsel, Aok, Finanzamt). []
  7. A.a.O. S. 6 []
  8. A.a.O. S. 7/8 Herr Sass schlägt vor, dass die Erbengemeinschaft Mauthe die Grundstücke Kronenstrasse 17. 17f, Friedrichstr. 3, Muslen 26, Hockenweg 1 für 5,0 Mio DM von Mauthe kaufen soll. Die Stadt soll dann das Grundstück von der Ebengemeinschaft für 3,3 Mio DM erwerben , der Erlös soll Mauthe zufließen. Der Erlös aus letzterem plus einem langfristigen Kredit von 2 bis 2,5 Mio DM von der Bank (Zusage liege vor) reiche aus zur Finanzierung der zuerst genannten 5,0 Mio DM. Das heißt die Gesellschafter müssten nichts aufbringen. Die Gesellschafter stimmen dem Plan zu. []
  9. A.a.O. S. 9/10 []
  10. Städtische Wohnungsbau AG. Die Stadt übernahm im Gegenzug die Bürgschaft für das Darlehen. []
  11. Gemeinderatsprotokolle, S. 123, § 37 []
  12. a.a.O. S.124 []
  13. a.a.O. S. 127 []
  14. Mauthe-Archiv, Geschäftsunterlagen April bis November 1975. Bericht über die Untersuchung bei der Fa Mauthe-Uhren-Vertriebsgesellschaft mbH, 7220 Schwenningen a.N. Kronenstrasse 21, von Dr. Heinz Schäfer. Der Bericht beziehe sich auf beide Firmen, Betrieb und Vertrieb. S. 5 []
  15. A.a.O. S. 5, S. 7 Der Kiss Kiss habe nur wenig Produktionsleistung im Haus gebunden. Die Gesundung des Unternehmens könne nicht nur durch „Ausweitung des Handelsgeschäftes“ geschehen. „Das Unternehmen ist vielmehr in seiner ganzen Struktur sowohl des Anlagevermögens als auch des Personalaufbaues ganz eindeutig auf Produktion ausgerichtet.“ []
  16. A.a.O. S. 6 []
  17. A.a.O. S. 10 []
  18. A.a.O. S. 11 Die Summe der Bilanzverluste in den Jahren 1965 – 1974 betrage DM 15,363 Millionen. „Diese Unternehmensverluste wurden bis auf die Abschreibungsbeträge und Vergütungen aus Anlageverkäufen … voll ausgabewirksam. Der gesamte Liquiditätsverlust im genannten Zeitraum belief sich demnach auf DM 9,162 Mio. Die Gesamthöhe der Investitionen belief sich auf DM 4,609 Mio. und blieb demnach um DM 1,592 Mio. unter den Abschreibungen. Damit belief sich der Gesamtabfluss an liquiden Mitteln in genanntem Zeitraum auf DM 13,771 Mio. Daraus ist zu ersehen, dass bei Weiterführung des Unternehmens in unmittelbarer Zukunft Investitionen in erheblichem Umfang erforderlich werden. Für die Finanzierung dieser Investitionsvorhaben stehen derzeit keine Mittel zu Verfügung.“ []
  19. SAVS 4.9-999 Schwabo 4.6.1975. Mauthe strebt Vergleich an. Bedingung für mögliche Sanierung. Der 4,3- Millionen-DM-Grundstückserlös ist überwiesen/ Löhne bezahlt. „Rund 4,3 Millionen Mark flossen damit am Wochenende in die leeren Taschen der Mauthe Uhrenfabriken, nachdem – wie OB Dr. Gebauer bestätigt – am Freitag die Verträge ausgefertigt und unmittelbar danach das Geld überwiesen wurde. … Durch den Eingang der Millionen-Beträge konnten beispielsweise jetzt die April-Löhne ausgezahlt werden. … (Geschäftsführer) Lauer weist darauf hin, dass die Auftragslage der Mauthe-Uhrenfabriken gut ist und das nach Beseitigung der Liquiditätsschwierigkeiten wieder in vollem Umfang produziert werden kann.“ (Geschäftsführer Sass glaubt dass nur 360 Mitarbeiter der derzeit 400 verkraftet werden könnten.) []
  20. SAVS 4.9-999 SWP 17.5.1975. Bei Mauthe Uhren. Löhne und Gehälter teilweise gezahlt. „Die Uhrenfabriken Mauthe im Stadtbezirk Schwenningen befinden sich seit zwei Monaten permanent in Auszahlungsschwierigkeiten: Löhne und Gehälter können seit diesem Zeitpunkt nur sporadisch und nicht in voller Höhe ausgezahlt werden. Wolfgang Sass … : ‚Nicht immer und nicht alles.‘ … Aussichten, dass Mauthe aus den Auszahlungsschwierigkeiten herauskommt, bestehen nach Meinung der Geschäftsführung vorerst nicht. „Wir warten auf große Gelder, aber leider geht das alles nicht so schnell, wie wir es uns vorgestellt haben.“ Gemeint sind die Verhandlungen mit der Stadt, die bekanntlich über die Wohnungsbau AG Mauthe-Grundstücke im Wert von einigen Millionen DM kaufen will und damit die Auflage verbindet, dass die Gelder in das Unternehmen eingebracht werden müssen. []
  21. SAVS 4.9-999. Stuttgarter Zeitung 5.6.1975 Mauthe will Vergleich anmelden. Landeskreditbank lehnt Millionenkredit trotz Grundstücksverkauf ab. (Am 6.6.1975 soll Vergleich angemeldet werden.) Nach Sass habe das Kiss Kiss-Experiment dem Unternehmen „einen echten Schlag versetzt.“ „Sass machte deutlich, dass letztlich in ‚Kiss Kiss‘ … die ausschlaggebende Ursache für die entstandene Zuspitzung zu suchen sei. … Vor 10 Tagen indessen habe die Landeskreditbank die Gewährung des Kredits abgelehnt, wobei sie zur Begründung auf Punkte hingewiesen habe, die ‚vor der Quasi-Zusage bereits bekannt gewesen wären.‘ Sass nimmt an, dass ‚übergeordnete politische Überlegungen‘ in die Entscheidung eingegangen seien.“ Stgt. Zeitung 6.6.1975 ‚Mauthe muss Vergleich aus Substanz bestreiten.‘ „Bereits in den ersten Wochen des Jahres 1975 hat die Landeskreditbank einen Kreditantrag der Schwenninger Uhrenfabrik Friedrich Mauthe GmbH abschlägig beschieden. … bereits damals hätte die Firma aufgrund der Bilanz den Gang zum Vergleichsrichter antreten müssen. Die Firma habe darauf ein Gutachten vorgelegt, das durch Aktivierung stiller Reserven darlegte, das keine Überschuldung vorliege.“ … Die Landeskreditbank habe klar gemacht, dass die Firma trotz der Grundstücksverkäufe ein „überzeugendes Unternehmenskonzept“ vorlegen müsse. Das vorgelegte Konzept „sei nicht klar genug gewesen.“ … „generell würden nur solche Unternehmen unterstützt, die echte Überlebenschancen hätten.“ []
  22. SAVS 4.9-999 Schwabo 26.6.1975 – Es kam zu einer kleinen Anfrage im Landtag des Abgeordneten Adam Berberich in dieser Angelegenheit, wegen des Verhaltens der Landekreditbank. landtagsdrucksache 6/ 8008 v. 25. 06.1975. Anfrage der Abgeordneten Berberich und Hurrle, SPD. Ziffer 2: „Sieht die Landesregierung in einer Pressemitteilung der Landeskreditbank an die „Badische Zeitung“ vom 20. Juni 1975 die Verpflichtung der Landeskreditbank zur parteipolitischen Neutralität verletzt, wenn dort unter anderem ausgeführt ist: “ … die Ursachen dafür (für die wirtwschaftliche Misere und die großen Schwierigkeiten der mittelständischen Unternehmen) liegen in der Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, für diee ausschließlich die Bonner sozialliberale Regierung die Verantwortung trägt“.“ []
  23. SAVS 4.9-999 Stgt. Zeitung 26.6.1975. Scharfe Attacke gegen die Landeskreditbank. Fernschreiben des Vorstandsvorsitzenden erbost Firmenleitung und Kommunalpolitiker []
  24. a.a.O. []
  25. Mauthe-Archiv, Geschäftsunterlagen April bis November 1975, Schreiben an die Mitarbeiter von der Geschäftsführung v. 12.6.1975 []
  26. A.a.O. Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung v. 25.6.1975 im Hänslehof []
  27. a.a.O. S. 1 []
  28. a.a.O. S.2 Eine weitere Gesellschafterversammlung fand am 1.7.1975 statt, die aber zu keinem konkreten Ergebnis führte. []
  29. a.a.O. []

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