Kienzle Apparate – 50er und 60er Jahre
50er und 60er Jahre – Aufbau des Unternehmens
Die Büromaschinenindustrie war vor 1945 in Thüringen und Sachsen angesiedelt. Es gelang, den Buchungsmaschinen-Konstrukteur Lorenz Maier und den Verkaufsdirektor des sächsischen Büromaschinenherstellers Wanderer Continental, Karl Hueg, nach Villingen zu holen und mit dem erfolgreichen Unternehmenszweig Büromaschinen zu beginnen.
Auf der Hannover- Messe 1950 zeigte Kienzle erstmals seine Kienzle-Saldier Maschine der Klasse 100, 1951 präsentierte das Unternehmen eine einfache Buchungsmaschine. (( Armin Müller, Kienzle. Ein deutsches Industrieunternehmen im 20. Jahrhundert. Stuttgart 2011. S. 75 ))
Kienzle konnte sich innerhalb kurzer Zeit auf dem Markt durchsetzen. Kunden waren. Behörden, Banken, Sparkassen, Handels- und Industrieunternehmen (( Armin Müller, Kienzle. Ein deutsches Industrieunternehmen im 20. Jahrhundert. Stuttgart 2011. S. 76)) und auch die Deutschen Bundespost (( Kienzle-Blätter v. 18.4.1955 S. 10, Buchungsmaschinen im Dienste der Deutschen Bundespost)) . „Von Schüttel- und Springwagen führte der Weg über sogenannte Simplex-Buchungsmaschinen zu einem Buchungsautomatenprogramm, das bis zum Ende der fünfziger Jahre alle technisch-organisatorischen Möglichkeiten der damaligen Zeit abdeckte und in der Bundesrepublik Deutschland einen beachtlichen Marktanteil sicherte.“ (( Herbert Ackermann, Von Taxametern, Fahrtenschreibern und Computern. Die Geschichte der Kienzle Apparate GmbH. Jahresheft des GHV 1995, S. 11))
Über 50 % aller in der Bundesrepublik hergestellten Addierbuchungsmaschinen seien damals aus Villingen gekommen. Die Umsätze stiegen. Das Unternehmen expandierte. Bereits Ende 1953 hatte Kienzle 1575 Beschäftigte. Im Dezember 1955 zählte Kienzle 2088 Mitarbeiter. Im Juli 1956 wurde die 48-Stundenwoche auf 45 Stunden reduziert. Im Werk Villingen waren 1956 1896 Mitarbeiter beschäftigt. 1958 waren es in Villingen 1902 Mitarbeiter und 1959 2051.
Am 3. Juni 1954 starb Geschäftsführer Dr. Herbert Kienzle, im Oktober 1954 trat sein Sohn Jochen Kienzle in die Geschäftsführung ein.
Kienzle stand für Tradition und Moderne, war in der Nachkriegszeit ein positives Beispiel eines erfolgreichen, technologisch innovativen Familienbetriebs, der sich durch eine soziale und relativ transparente Mitarbeiterführung auszeichnete. Kienzle stand für betrieblichen und gesellschaftlichen Zusammenhalt, war ein Beispiel für den stürmischen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt Nachkriegsdeutschlands.
Das Unternehmen suchte gute Arbeitskräfte. Dies war der Grund, weshalb Heinz H. 1958 von Buggingen nach Villingen kam. Er wollte nach dem Abitur nicht studieren sondern einen Beruf ergreifen und bewarb sich bei vielen südbadischen Unternehmen. Dann las er eine Anzeige, dass Kienzle Apparate Lehrlinge suche. Damals war der Weg nach Villingen weit. „Da musste man erst auf die Karte gucken“. H. machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann und arbeitete anschließend im Produktbereich B (Büromaschinen) bis zu dessen Ende 1998. Bei Kienzle lernte er auch seine Frau kennen. (( Heinz H. Interview vom 14. 8. 2015. Viele bekannten Villinger bzw. Schwenninger haben bei Kienzle Apparate gearbeitet. So auch der spätere SPD-Landtagsabgeordnete Adam Berberich. Bei den Betriebsratswahlen im Juni 1966 wurde der Monteur aus der Preisrechnermontage Adam Berberich geb. 1.11.1914 Betriebsrat. Später war er DGB-Vorsitzender und SPD Landtagsabgeordneter. ))
Wegen des hohen Bedarfs an Mitarbeitern in den Nachkriegsjahren kümmerte sich das Unternehmen um Wohnungen für die Zugezogenen. Man organisierte Weihnachtsfeiern und unterschiedlichste gesellige Aktivitäten, finanzierte Betriebsrenten und andere soziale Beihilfen (( Kienzle-Blätter Nr. 1, 1957 S. 2)) .
Heinz H. und seine Frau erinnern sich, wie viele andere Villinger: „Weihnachten bei Kienzle Apparate, das war das große Ereignis in Villingen. Da saß einer am Flügel, da wurden Weihnachtslieder gesungen. Das war richtig schön. Die Kinder wurden beschenkt. Und dann hat man in der Stadt gesehen, wer bei Kienzle gearbeitet hat. Das hat man an den Kindern ablesen können. Die hatten alle qualitativ hochwertige Anoraks vom Nikolaus bekommen. Da hat man in Villingen gesagt, das sind Kienzle-Kinder. Man hat einfach gesehen, welche Kinder die Geschenke von Kienzle anhatten.“ (( Heinz H. Interview vom 14.8.2015))
Das Verhältnis von Arbeitern und Angestellten verschob sich bei Kienzle Apparate schon sehr früh zu Gunsten der Angestellten, was darauf zurückgeführt wurde, dass bei Kienzle-Apparate immer mehr qualifizierte Fachkräfte „mit der Wahrnehmung von Angestelltenaufgaben betraut wurden“. Die Zunahme der Angestellten sei keinesfalls auf die Zunahme der Verwaltung zurückzuführen, sondern sei ein Ergebnis „der fortschreitenden Entwicklung der Technik“, deshalb habe man viele ehemalige Arbeiter auf Grund ihres neuen Aufgabengebiets ins Angestelltenverhältnis übernommen. (( Kienzle-Blätter Nr. 1, 1957 S. 15))
Kienzle Apparate bemühten sich laufend um Innovationen und Produkte. Die Fortbildung der Mitarbeiter war aus diesem Grund sehr wichtig. Bereits 1962 bot das Unternehmen Kurse in Mathematik, Englisch, Französisch und Elektronik an. Beklagt wurde allerdings, dass nur wenige Teilnehmer die Kurse bis zum Schluss durchhielten. (( Kienzle-Blätter 1962, Nr. 3, S. 30))
Das Unternehmen kümmerte sich konsequent um die Weiterbildung seiner Arbeitskräfte. Man setzte sich für die Einrichtung einer Technikerschule in Villingen (1961/62) ein und versuchte aus den vorhandenen Mitarbeitern Führungskräfte heranzubilden, indem man diese motivierte, die Techniker- Meister- und Ingenieurschulen zu besuchen. (( A.a.O. S. 39))
Bildung und berufliche Weiterbildung waren ein großes Thema. Man sah sich deshalb in der glücklichen Lage „laufend qualifizierte Lohnempfänger in das Angestelltenverhältnis“ zu übernehmen. 1962 wurden insgesamt 67 Arbeiter Angestellte. Die von Kienzle „stark geförderte fachliche Weiterbildung – durch Errichtung von Fachkursen aller Art im Werk und durch Finanzierung der Teilnahme an Bildungsmöglichkeiten“- machte sich bemerkbar. „Weiterhin [wurden] zahlreiche technische und kaufmännische Spezialkräfte besonders für die immer komplizierter werdenden Büromaschinen geworben.“ Die Veränderung in der Produktion wirkte sich auf die Zusammensetzung der Belegschaft aus; diese Entwicklung verlangte immer stärker Fach- und Spezialkräfte im Angestelltenverhältnis, während der Bedarf an ungelernten Arbeitern ständig abnahm. Die Fluktuation im Unternehmen war erfreulich niedrig, trotz des hohen Arbeitskräftemangels in der Wirtschaftswunderzeit. (( A.a.O. S. 20f))
Größere Kontingente an Gastarbeitern würden nicht benötigt, da der Bedarf an ungelernten Arbeitskräften abnehme. Die ausländischen Mitarbeiter, die man habe, seien allerdings gut integriert. (( A.a.O.))
Nachtrag zur Kienzle Apparate – Weihnachtsfeier:
Die Puppe habe ich Mitte der 60er-Jahre bekommen. Mein Vater war bei der Firma Kienzle Apparate Leiter der Abteilung Diagrammauswertung (siehe Blätter zur Geschichte 1/2002, über die Sonderausstellung “Die Unbestechlichen, Kienzle Registriergeräte für die Automobilisierung” im Uhrenindustriemuseum). … Das Foto aus der Tonhalle ist super. Erinnere mich noch so gut an die Tannenzweige auf den Tischen und die bunten Pappteller mit dem duftenden Weihnachtsgebäck darin. Nur der Kaba war mir immer ein Graus (!) – und der Nikolaus, was hatte ich Respekt vor dem großen Mann mit den weißen Handschuhen und dem weißen Bart. Musste immer ein Gedicht aufsagen und dann gab es die Geschenktüte. Ein tolles Kindererlebnis, das ich nicht vergesse.
Sabine Streck