Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Johannes Bürk – Stadtbrand und Nachtwächterkontrolluhr

geschrieben am: 29.12.2019 von: Ingeborg Kottmann in Kategorie(n): Vorgeschichte, Johannes Bürk, Württembergische Uhrenfabrik

Der große Stadtbrand vom 23. Juli 1850.

 

Brand in Schwenningen am 23. Juli 1850, auf dem Bild von Johannes Jauch ist ein falsches Datum angegeben. (Heimatmuseum Schwenningen)

Brand in Schwenningen am 23. Juli 1850, auf dem Bild von Johannes Jauch ist ein falsches Datum angegeben. (Bild: Heimat- und Uhrenmuseum Schwenningen)

Die erste Bewährungsprobe für den Ratschreiber war der große Stadtbrand vom 23. Juli 1850. Weil ein 17jähriger Junge verhindern wollte, dass der Vater seinen Diebstahl bemerkt, zündete er sein Elternhaus in der Schmiedgasse an. Die Winde standen jedoch so ungünstig, dass 98 Häuser abbrannten, darunter auch das erst 1829 errichtete Rathaus und die 1848 erhaltenen 20 französische Gewehre aus dem Königlichen Arsenal sowie ein Großteil der Registratur. ((SAVS Best. 3.1-4 Nr. 6275 und Gemeinderatsprotokoll vom 2. Juni. Darin auch eine Liste der wehr- und beitragspflichtigen Männer vermutlich von 1850.))

Da die meisten Bewohner auf dem Feld waren als das Feuer ausbrach, konnten sie nur wenig von ihrem Hab und Gut retten. Der Tatkraft von Johannes Bürk ist es zu verdanken, dass der Wiederaufbau rasch vonstatten ging. Dabei hielt er sich am Tag des Brandes zu Verkaufsverhandlungen in Mainz auf. Erst am 7. September war er wieder in Schwenningen. Der Wiederaufbau des Rathauses und die Ausweisung von Baugelände auf den Bildäckern und der oberen und unteren Bildackerstraße (heute Bürkstraße) waren seiner Initiative zu verdanken. Er ließ die Straßenzüge nach damals modernen zweckmäßigen Gesichtspunkten neu führen. Für seine rasche Arbeit wählte man ihn 1852 zum Schultheißen, doch das Oberamt in Rottweil bestätigte die Wahl nicht. Allerdings baute er auch ein Haus für sich 1858 in der unteren Bildackerstraße ohne auf die erforderliche Genehmigung zu warten, deshalb musste er eine Strafe zahlen. Dieses Haus baute sein Sohn Richard ab 1908 zur Jugendstilvilla um.

 

Die Nachtwächterkontrolluhr

Nach der Revolution gab es viel dunkle Gestalten, die sich durch Diebstähle ernährten. Als Ratschreiber oblag Johannes Bürk auch die Beaufsichtigung der Nachtwärter. Diese zogen damals noch mit Horn und Hellebarde durch die Straßen. Da diese Tätigkeit besonders im Winter nicht immer angenehm war, mussten sie kontrolliert werden. Dies geschah durch ortsfest Wächterkontrolluhren. Auf seinem Rundgang löste der Wächter durch Ziehen an einer Schnur einen Bolzen aus dem Zifferblatt, der die Uhrzeit seines Rundganges festhielt. Am nächsten Morgen musste dann die Runde wiederholt werden, um die Bolzen zu kontrollieren und sie wieder hereinzudrücken. Dieses System war für Schwenningen zu teuer. Johannes Bürk ersann nun eine Kontrolluhr, die der Uhrmacher Michael Vosseler baute, die der Wächter durch einen an jeder Kontrollstelle angeketteten Schlüssel markierte und zwar zunächst auf einer Papierscheibe, später einem Papierstreifen. Dieser war in der Uhr eingebaut und bewegte sich mit dem Uhrwerk. Am nächste Morgen konnte der Ratschreiber im Büro feststellen, ob der Nachtwächter seinen Rundgang gemacht hatte. Johannes Bürk ließ seine Erfindung patentieren und stellte sie ab 1855 im eigenen Betrieb her, „in der er die alte Betriebsweise erstmals in Württemberg – wahrscheinlich überhaupt in Deutschland – durch völlige Arbeitsteilung und maschinelle Herstellung nach französischem und schweizerischem Muster ersetzte.“ (( Neue Deutsch Biographie, Bd. 2, München 1955, S. 747. Zu den Produkten der Firma s. den Bericht von Werner Schmid in diesem Buch.))

Wächterkontrolluhr des Johannes Bürk (Orginal im Uhrenindustriemuseum, Foto: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Wächterkontrolluhr des Johannes Bürk (Orginal im Uhrenindustriemuseum, Foto: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

 

Werbung für "Bürks"- Wächterkontrolluhr (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Werbung für „Bürks“- Wächterkontrolluhr (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Der Anschluß an die Eisenbahn

 

Denkschrift zum Eisenbahnbau 1864 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Denkschrift zum Eisenbahnbau 1864 (Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Johannes Bürk war auch als Fabrikant um das Wohl seiner Heimatstadt bemüht. 1864 stand in den Kammern in Stuttgart und Karlsruhe die Frage zur Debatte, welche Linienführung man einerseits der projektierten Neckartalbahn andererseits der Schwarzwaldbahn geben sollte. In Württemberg wurde überlegt, ob man die Bahn von Rottweil aus nach Tuttlingen oder Villingen an die badische Bahn führen sollte. Sollte die letzte Möglichkeit gewählt werden hätte man die Trasse über Niedereschach oder Schwenningen führen können. Die Eschachgemeinden schickten Petitionen nach Stuttgart, in denen sie sich als Lieferanten für landwirtschaftliche Produkte darstellten. Ferner verwies Niedereschach auf seine Pulverfabrik. Auch Schwenningen trug seine Argumente vor: aufstrebende Industriestadt mit 4000 Einwohnern. Aber es gab auch Gegner in Schwenningen, die eine Überfremdung durch die Bahn befürchteten. Sie hatten ein Pfand, nämlich Felder, die die Bahn zum Bau des Schienennetzes benötigte. Um diese Gegner zu überzeugen, schrieb Johannes Bürk einen ironischen Brief, den er anonym an die „Schwarzwälder Bürgerzeitung“ und den „Schwarzwälder“ in Villingen schickte. Selbstverständlich war Bürk für die Trasse über Schwenningen, denn nur so sah er eine weitere positive Entwicklung des Ortes gewährleistet. Am 9. August 1869 wurde die Strecke in Betrieb genommen

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