Johannes Bürk – Pionier der Industrialisierung
Kindheit und Jugend
Am 3. Juli 1819 kam Johannes Bürk ((Auf Johannes Bürks leben und seine Vorstellungen gehe ich ausführlicher ein. Es steht mir hierfür der Nachlass der Familie Bürk zur Verfügung. Ferner steht er hier stellvertretend für die Industriepioniere der ersten Generation in unserer Region. Ein weiterer Grund ist das 150jährige Jubiläum seiner Firmengründung, der ersten industriellen Uhrenfertigung in Württemberg.)) als erstes Kind seiner Eltern zur Welt. Es war eine unruhige Zeit in der er hineingeboren wurde und die er in seiner Gemeinde mitbestimmen sollte.
Sein Vater war Jakob Bürk, genannt Haberthomasenjakob, seine Mutter Anna eine geborene Öfinger. Er hatte eine umfangreiche Verwandtschaft und unter seinen Ahnen waren Vögte von Schwenningen. Sein Vater war Marktschuhmacher, der seine Waren auf den Märkten der Umgebung allein oder mit andern Schuhmachern vertrieb. Nebenbei wurde eine Landwirtschaft versorgt, denn Schwenningen war zu dieser Zeit noch völlig von der Landwirtschaft geprägt und vor jedem Haus lag der Misthaufen.
Johannes Bürk war ein eher zartes Kind. Er bekommt noch zwei Brüder: Thomas (1821 – 1887) ((Thomas Bürk war von Beruf Lehrer, aber eher ein Weltenbummler und Globetrotter. Er diente unter General Miller und war 1848 in Schwenningen stationiert. Seine Dienstzeit war um 1 ½ Jahre verlängert worden, da er nicht rechtzeitig zur Musterung erschienen war. Aber nach gut zwei Jahren desertiert er. Lange galt er als verschollen, dabei brachte er es im Krimkrieg zum Offizier, weil er sich mit falschen namen zur französischen Fremdenlegion begeben hatte. Durch eine Unterschrift mit seinem richtigen Namen unter einem Rapport, muss er wieder fliehen und schlägt sich nach Schwenningen durch, von wo aus ihn Johannes Bürk in die Schweiz bringt. Dort bringt er es zu Ansehen und Vermögen und heiratet. In Württemberg wurde er begnadigt, weil er einen „Einsteher“ stellt, der für ihn die noch fehlenden fünf Jahre diente. Er lebte zuletzt in der Schweiz und wurde auf dem Schwenninger Alten Friedhof beigesetzt. 1880 hielt er in Schwenningen vor dem Kaufmännischen Verein einen Vortrag über seine Reisen im Gasthaus „Löwen“. Der Schwenninger Heimatverein besitzt noch einige seiner Reiseberichte. S. Heimatblättle 28 Jahrg., Hefte 5, 8, 1980 S.1f. Aufzeichnungen von Richard Bürk in Heimatblättle 26 Jahrg., Heft 11, 1978, S. 2f.)) und Jakob ((Jacob Bürk wanderte nach Amerika aus. 1864 kam er erstmalig zurück und nahm ein Gemälde des Kunstmalers Johannes Jauch, das sein Elternhaus zeigt, mit nach Amerika. Er besuchte fortan fast alle zwei Jahre seine Heimatstadt, dies war ihm möglich, da er es in Amerika zu Vermögen gebracht hatte im Beruf seines Vaters, den er erlernt hatte.)) (1823 – 1896) getauft. Die Schule gefiel ihm zunächst nicht, aber die Geduld seiner Mutter und das gute Zureden halfen. ((Franz Ludwig Neher, Johannes Bürk, ein schwäbischer Wegbereiter industrieller Fertigung. Zum hundertjährigen Bestehen der Württembergischen Uhrenfabrik Bürk Söhne Schwenningen am Neckar 1855/1955, Schwenningen a. N. 1956, S.72ff. Neher beschreibt diese Lebensphase sehr ausführlich und pointiert.))
Nach der Absolvierung der sechsklassigen Pflichtschule bekam Johannes Bürk Unterricht bei einem jungen Vikar, der ihn dazu befähigte eine Schreiberlehre in einem Notariat in Sulz am Neckar zu machen. Vom Militärdienst war er wegen seiner geringen Sehschärfe befreit. Nach fünf Jahren gab er den Notariatsposten auf und suchte „sein“ Talent.
Johannes Bürk heiratete Katharina Weyler (1823 – 1883) am 29. Mai 1841. ((F.L. Neher fand noch nach 110 Jahren im Briefwechsel von Johannes mit seiner Braut Blätter von einer dunkelroten Rose. Da Johannes Bürk viel auf Reisen war, schrieb er auch viele Briefe in einer sauberen Handschrift, die über seine Gefühle und Reisen Auskunft erteilen.)) Ihr Vater war Landwirt und Färbermeister und gehörte zur fortschrittlichen Gruppe im Gemeinderat. Sie bekamen acht Kinder. (( Anna (1843-1917), Benjamin (1845-1920), Richard (1851-1934), Klothilde (1854-1926), Walter (1856-1922), Ida (1857-1934), Hugo (1860-1938), Ernestine (1862-1936) ))
Zeitungsherausgeber und Leiter eines Kommissionsbüros
Bürk war erst 22 Jahre alt, als er sich im August 1841 entschloss, sich mit der Gründung eines „Commissions-Bureaus“ selbständig zu machen. Er bot in 17 Geschäftssparten seine Hilfe an, vom Auswandererberater bis zu Grundstücks- und Rechtsgeschäften.
Er gab auch eine liberale Wochenzeitung „Die Biene“, heraus. „Das evangelische Schwenningen bekam damit zum Unbehagen der Rottweiler streng katholischen Oberamtsbehörden eine eigene Zeitung. Man mag dort über das ,Blättle’ mit Stachel ebenso wenig erbaut gewesen sein, wie über den gerade volljährig gewordenen, beängstigend aktiven Redakteur, ein Glück, dass es noch eine Zensurbehörde gab ((Franz Ludwig Neher, Johannes Bürk, ein schwäbischer Wegbereiter industrieller Fertigung. Zum hundertjährigen Bestehen der Württembergischen Uhrenfabrik Bürk Söhne Schwenningen am Neckar 1855/1955, Schwenningen a. N. 1956, S. 75. [Neher, Bürk] s. auch Michael Zimmermann, Bürks „Biene“ summt nicht lange, in: Schwarzwälder Bote 157 Jg. Nr. 283 7./8. Dezember 1991, S. 24.)) .“ Die erste Ausgabe erschien am 8. August 1841, ihr Untertitel verkündete das Programm: „Wochenschrift für Unterhaltung und Belehrung im Gebiete der Landwirthschaft und des Gewerbe- und Kunstfleißes.“ Bürk musste auf die Leserschaft Rücksichten nehmen, daher konnte er den zumeist konservativen Lesern aus der Bauernschaft keine liberalen Kommentare bieten. Die Biene ging bereits im zweiten Jahrgang ihres Erscheinens ein, „einesteils wegen der hohen Druckkosten und andererseits <wegen> der zwischen dem Wohnsitz des Herrn Redakteurs und der Druckerei und der gestrengen Zensurbehörde liegenden großen Entfernungen ((Neher, Bürk, S. 76. )) .“ Aber der eigentliche Grund war eine bösartige Intrige seiner Feinde im Gemeinderat, die Bürk zu Unrecht der Unterschlagung beschuldigten. Das Commissionsbüro hatte den Auftrag erhalten die für die Brandkatastrophe in Hamburg gesammelten 300 Gulden nach Hamburg zu bringen. Es war schwierig damals Geld zu transferieren, denn eine Bank gab es in Schwenningen nicht und in Hamburg herrschte auch eine andere Währung. Der Wechsel kam mit einem Dankschreiben zurück, war jedoch direkt an den Gemeinderat gesandt worden anstelle zum Absender und die summe erschien diesen zu gering, war sie doch in Hamburger Währung genannt. Man beantragte ein Strafverfahren wegen Unterschlagung. Er musste sogar in Untersuchungshaft. Ohne Verhandlung wurde seine Unschuld attestiert. Diese Anschuldigung verfolgte ihn sein Leben lang. „Die Feinde Bürks in seinem Heimatort, die begüterte, Bauernaristokratie’, die in ihm nur einen lästigen Hetzer und Demagogen’ zu erkennen vermochte, hatte einen ersten Sieg über fortschrittliche Kräfte errungen.“ (( Neher, Bürk, S. 81f. Michael Zimmermann, Schwenningen und seine Zeitungen von 1841 bis heute, Sonderbeilage der Süd-West-Presse vom 17.8.1991, S.2.))
Als er aus der Untersuchungshaft entlassen wurde wählten ihn die Schwenninger als Obmann in den Bürgerausschuß. Da ihm eine Reform der kommunalen Gremien unaufschiebbar erschien, verfasste der 1844 eine Schrift „Anleitung zur gesetzmäßigen Behandlung der Ortsvorsteher-, Gemeinderaths- und Bürgerausschusswahlen.“ Lieber befasste er sich mit den Naturwissenschaften oder landwirtschaftlichen Themen. Sein 1845 erschienendes Buch über die Witterung in der Baar wurde ein vielgelesenes Buch, da sich die Klimaverhältnisse damals extrem veränderten. 1846 und 1847 waren die Getreide- und die Kartoffelernte fast vollständig vernichtet worden, da es zu feucht war. Dies führte zu Hungersnöten. Die Gemeinde Schwenningen bezahlte für 224 Personen die Ausreise nach Amerika, damit sie sich die Unterhaltskosten ersparen wollte. Bürk spricht sich in seinen Aufsätzen und auch privaten Briefen gegen diese Maßnahme aus, er nennt sie einen „Missgriff“. Bürk hatte inzwischen auf einen von ihm konstruierten Höhenmesser ein Patent erhalten und vertrieb das Instrument selbst als Handelsvertreter. (( Neher beschreibt sein auftreten bei den Kunden sehr ausführlich. „Er erschien überall als der Herr Fabrikant persönlich. „ S. 90f. ))
Sorgen um die Not seiner Heimatgemeinde
Mit Sorgen sah Bürk den Absatzschwund des Uhrmachergewerbes. Bis zu seinem Tode war er von da an immer bestrebt, eine Verbesserung der Aus- und Fortbildung zu erreichen. Er erkannte die Fehler, die zur Absatzkrise führten, die Produkte waren veraltet, die Produktionskosten zu hoch und der Konkurrenzneid verhinderte eine wettbewerbsmäßige Produktion.
1845, den ständigen Anfeindungen in seiner Heimatstadt den Rücken kehrend, zog er dem Ruf des Verlegers F. J: Steinwand folgend nach Horb a.N. Er übernahm die Redaktion einer neuen Zeitschrift „Die Laterne“. Dieser wurde jedoch die Konzession verweigert. 1847 zog er wieder nach Schwenningen. Der Nichtsoldat entwickelte eine verbesserte Sorte Granatkartätsche und einen Schrapnell-Zünder.
Johannes Bürk verfolgte die Geschehnisse, die zur Revolution führten. Er kannte die „Forderungen des Volkes“, die die Offenburger Versammlung vom 12. September 1847 verabschiedete, zu denen unter anderem Versammlungs-, Gewissens-, Religions- und Pressefreiheit sowie gerechte Besteuerung und Bildungschancen gehörten. Die Zeitungen sorgten für eine Verbreitung der Forderungen. Nur drei Schwenninger, die sich gegen die herrschenden Verhältnisse wandten, wurden als Vertreter der Opposition dem Oberamt in Rottweil bekannt: Posthalter Koch, Christian Roller und Andreas Maier. (( HStAS (Hauptstaatsarchiv in Stuttgart) Best. E 10/73.))
In den Jahren zuvor hatte eine große Hungersnot geherrscht, da die Kartoffelernte infolge Fäulnis ausgefallen und die Getreideernte nur geringe Erträge gebracht hatte. Im Januar 1847 bezahlte die Gemeinde die Auswanderung von 224 Personen nach Amerika. Eine Maßnahme die auf Kritik von Johannes Bürk stieß. Die Schwenninger mussten, wollten sie sich informieren, zum „Rottweiler Anzeiger“ greifen oder sich der nun zahlreich verbreiteten Flugblätter bedienen. (( Viele Flugblätter wurden in der Schweiz gedruckt und nach Deutschland geschleust. Die Exilanten in der Schweiz, egal welcher politischen Richtung sie angehörten, hatten die Hoffnung, mit ihrer Agitation die Revolution zu fördern. In der Schweiz hatten sie, wofür sie in ihrer Heimat vergeblich kämpften: Demokratie, liberale Ordnung und Pressefreiheit. Tagungsbericht von Thomas Chr. Müller auf der Forschungsbörse in Offenburg am 17. Oktober 1994.))
Der Beitrag ist eine Gekürzte Fassung eines Artikels von Ingeborg Kottmann aus:
Ingeborg Kottmann, Frank Lang, Werner Schmid (Hrsg.) Zeit ist Geld – Kontrolluhren aus dem Schwarzwald. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung. Villingen-Schwenningen 2005.