Die SABA- Konzernfiliale von GTE
Der Umbau vom Familienbetrieb in einen Konzernbereich des amerikanischen GTE-Konzerns verlief nicht reibungslos. 1970 verließ der Vertraute von Hermann Brunner-Schwer, Alfred Liebetrau, die SABA, weil er sich durch die neue Unternehmensstruktur in seiner Karriere behindert sah. Hermann Brunner-Schwer suchte einen neuen Partner für die Geschäftsführung, der den Bauelemente-Sektor des GTE-Konzerns übernehmen konnte und ihm (Brunner-Schwer) die Möglichkeit ließ sich auf die SABA zu konzentrieren. Dieser Partner wurde Hermann Mössner von Telefunken.1
Unklare Entscheidungsfindung
Eine unabhängige Unternehmensberatungsgesellschaft untersuchte 1972 die Organisation der SABA unter der Aufgabenstellung: „Welche personellen und organisatorischen Maßnahmen sind erforderlich, um den langfristigen Erfolg von SABA sicherzustellen?“2 Für die Berater war das größte Problem „die ungenügend geklärte Verantwortungs- und Entscheidungsstruktur in der Führungsspitze des Unternehmens.“3 Es gab den „geschäftsführenden Gesellschafter Herrn Brunner-Schwer, Herrn Mössner (GTE-Consumer-Electronics), sieben Geschäftsbereichsleiter und den Bereich GTE Stab und Organisation. Bei der Bildung dieser Geschäftsleitung sei wohl ein kooperativer Führungsstil avisiert worden, das Team sei aber nicht „Entscheidungsträger“. Die Entscheidungen lägen weiterhin bei Brunner-Schwer und Mössner.4 Auch zwischen diesen beiden gebe es keine klare Kompetenzabgrenzung und Entscheidungsfindung. Es sei „im Hause nicht klar, ob und in welchem Ausmaß Herr Mössner gleichberechtigt neben Herrn Brunner-Schwer die Geschäfte der SABA [führe];“5
Nach Ansicht der Berater war eine gemeinsam Geschäftsführung dieser beiden schwierig, weil sie zu unterschiedliche Führungsstile vertraten. Hermann Brunner-Schwer repräsentiere immer noch den patriarchalischen Leiter und gleichzeitigen Eigentümer eines Familienbetriebes, von persönlichen Bindungen und der Verantwortung für die Geschicke der einzelnen Mitarbeiter geprägt. Hermann Mössner stelle „das Interesse des Gesamtkonzerns GTE über die spezifischen Interessen“ des Einzelbetriebes. „Sachbezogene und produktivitätsorientierte Überlegungen“ hätten für ihn „Vorrang vor persönlichen Bindungen und Schicksalen“. Diese unterschiedlichen Führungsstile führten nach Ansicht der Unternehmensberater zu einer Verunsicherung „des gesamten Managements“.6
Bei der SABA gebe es auf allen Ebenen „eine klare hierarchische Über- und Unterordnung. Die Geschäftsbereichsleiter würden sich wie gewohnt der Geschäftsführung hierarchisch unterordnen.7 Dieses Verhalten würde wegen der Größe des Unternehmens zu einer Überlastung der Geschäftsführung, hier besonders von Hermann Brunner-Schwer führen. Der Status eines Bereichsleiters sei zwar für die Betroffenen aus Prestigegründen wichtig, sei aber nicht mit einer entsprechenden „Verantwortungs-, Entscheidungs-, und Kommunikationsstruktur“ verbunden und würde deshalb nicht zur Entlastung der Geschäftsführer beitragen.
Langfristige Entwicklungsziele fehlen
Der SABA hätten „langfristige Entwicklungsziele für den Markt“ gefehlt, als auch für die Organisationsstrukturen des Unternehmens. Das Verhältnis von der Muttergesellschaft GTE zu Saba und das Verhältnis von GTE International-Consumer-Electronics zu Saba sei völlig unklar. Es sei ebenso unklar, wer im Unternehmen die „grundlegenden und für die Zukunft bestimmenden Entscheidungen“ treffe.8 Bei der SABA fehlten eine „längerfristige Personalplanung und ein gezielter Karriereaufbau für fähige Mitarbeiter.“9 Neue Ideen hätten es schwer sich durchzusetzen, „Eigenentwicklungen [seien] in der Vergangenheit des Öfteren früh genug durchgeführt …, aber nicht ernst genommen“ worden. Entwicklungsinitiative würde so erlahmen.10 Es fehle an systematischer Patentforschung und „eine Zusammenarbeit mit GTE-USA aus der technisches Know-how“ resultiere, sei nicht vorhanden.“
Die Berater empfahlen ein „klares Arrangement zwischen Herrn Brunner-Schwer und Herrn Mössner“ und waren der Überzeugung, dass das Unternehmen an dem Geschäftsführer Hermann Brunner-Schwer festhalten sollte. „Zu sehr (sei) das Unternehmen SABA mit der Person von Herrn Brunner-Schwer als letzten Vertreter der Familie verbunden, sowohl beim Fachhandel und den SABA-Großhändlern als auch bei einem Großteil der Belegschaft, wo der Geist des Familienunternehmens noch wach (sei).“11 Grundsätzlich sollte die Geschäftsführung wegen der hohen Arbeitsbelastung der beiden Geschäftsführer (Hermann Brunner-Schwer und Hermann Mössner) erweitert werden. Das Unternehmen müsse auf einen internationalen Markt ausgerichtet werden, Fähigkeiten und Erfahrungen eines Funktionsträgers müssten zu seiner Aufgabenstellung passen, was bei der SABA nicht immer gegeben sei.
In der Zeit von 1968 bis 1972 verdreifachte sich der Umsatz, die Preise legten aber nicht zu und die Kosten stiegen. Der GTE-Konzern bestand deshalb auf einem noch größeren Umsatzvolumen und auf rigorosen Sparmaßnahmen.12
Stückkosten senken mit Brachialgewalt
Man versuchte „mit Brachialgewalt“ die Stückkosten zu senken. Durch den geforderten Zeitdruck „kamen die neuen Farbfernsehgeräte unzureichend erprobt in die Fertigung“ und die von der Konzerntochter Sylvania gelieferten Bildröhren fielen nach kurzem Betrieb des Fernsehgerätes beim Kunden aus.13
Nachdem SABA 1973 noch einen Jahresüberschuss von 6,7 Mill. Mark erzielt hatte, gab es 1974 einen Fehlbetrag von 25 Mill. Mark. Wegen der DM –Aufwertungen war der englische Markt der SABA zusammengebrochen. Die technischen Schwierigkeiten mit den Sylvania-Röhren warfen die SABA im Gegensatz zur Konkurrenz beim „Farbfernseh-Boom zur Fußballweltmeisterschaft“ 1974 zurück. Von der Fußballweltmeisterschaft hatte sich die SABA aber wie die gesamte Deutsche Fernsehgeräteindustrie Rekordumsätze versprochen. Das Jahr 1974 brachte Villingen nicht nur den Kaiser-Konkurs, auch die Firma Saba14 befand sich in „einer tiefen Krise“ nach Meinung des Geschäftsführers Hermann Brunner-Schwer. Für den amerikanischen GTE-Konzern seien vor allem die Gewinne entscheidend, die man mit dem Unternehmen SABA erzielen könne. Die Saba müsse deshalb aus eigener Kraft die Krise überwinden. In fünf Jahrzehnten habe die Saba ein „hervorragendes Markenimage“ aufgebaut, sie habe eine „glänzende Position beim Fachhandel“. Einen „befähigten Mitarbeiterstab, der sich auch heute mit diesem Unternehmen voll zu identifizieren bereit ist“, der Markt der Saba-Produkte sei noch auf lange Zeit entwicklungsfähig.15
Die SABA hatte Probleme. Das Unternehmen ging deshalb an die Öffentlichkeit, um die Mitarbeiter zu beruhigen16 . „Die rund 5200 Belegschaftsangehörigen der Villinger SABA-Werke, einschließlich seiner Zweigbetriebe [bräuchten] zumindest kurzfristig nicht um ihre Arbeitsplätze zu fürchten Bis zum Ende dieses Jahres [seien] Massenentlassungen weder in Aussicht genommen noch geplant.“ Allerdings könnte Kurzarbeit entstehen und freiwillige Leistungen des Unternehmens vorübergehende reduziert werden. Die aufwendigen Kinderweihnachtsfeiern der SABA sollten 1974 entfallen, als Ersatz sollten die Kinder der Werksangehörigen Geschenkpakete bekommen. Die traditionellen Jubilarfeiern wollte man künftig bescheidener gestalten. Außerdem wurde das Meersburger Saba-Erholungsheim zum 1. Januar 1975 geschlossen.
„Die Stimmung bei den Betriebsangehörigen [sei] sehr bedrückt.“
urteilte der Betriebsratsvorsitzende Alfred Moser. „Die Leute erkennen zwar die Lage, aber sie rechnen sich nun auch ihre Einkommensverluste aus.“ Der Betriebsrat sei in diesen Tagen stark damit beschäftigt, die Betriebsangehörigen über die rechtliche Seite der Entwicklung aufzuklären. Über den Komplex Kurzarbeitergeld wüssten die wenigsten Bescheid. Doch trotz Kurzarbeitergeld blieb ein gewisses Manko in der Haushaltskasse der einzelnen. … Es sei wichtig, jede Panik zu vermeiden. Im Übrigen setze auch der Betriebsrat große Hoffnungen in die Qualität der Saba-Produkte.“
Von der Kurzarbeit waren rund 2000 Mitarbeiter der Produktion betroffen und rund die Hälfte der 1000 Angestellten17 . „Sonderwünsche wie Farbfernseher und Hi-Fi-Anlagen [seien] in den meisten Familien durch Überstunden finanziert worden. Und das fällt ja neuerdings flach.“ Alle hofften auf eine Besserung der Lage durch die neue Generation der Farbfernsehgeräte.
Leider änderte sich die wirtschaftliche Situation auch im Jahr 1975 nicht. 1650 Beschäftigte in der Fertigung mussten bis in den Herbst hinein mit insgesamt 29 Tagen Kurzarbeit rechnen. Grund für die abermalige Kurzarbeit im Villinger SABA-Werk sei „das Verkäuferverhalten ‚beim Problemgerät Farbfernseher‘. Für solche hochwertigen Geräte [sei] derzeit ohnehin Saisontief.“18
Kapitalaufstockung:„Dafür ist mein Geldbeutel nicht groß genug“
Die Geschäftsführung versuchte die Probleme der SABA durch vermehrte Investitionen in den Griff zu bekommen, was eine Kapitalaufstockung von 100 Millionen DM bedeutete19 . Da der Geschäftsführer Hermann Brunner-Schwer da nicht mithalten konnte, „Dafür ist mein Geldbeutel nicht groß genug“, nahm seine Beteiligung am Unternehmen auf 2,5 Prozent ab. Er würde aber trotzdem noch Geschäftsführer bleiben, wurde versichert, weil sein Vertrag mit der GTE noch drei Jahre laufe. „Da auch die Nachfrage nach Farbfernsehgeräten in Europa weiter schnell ansteigen würde, sei ebenfalls eine Optimierung der Produktionsanlagen in den Villinger Werken ins Auge gefasst. Auch eine weitreichende Erhöhung des Werbebudgets sei bereits beschlossene Sache… Auf den technischen Bereich angesprochen, erklärte Brunner-Schwer, dass im Laufe der Zeit die ‚Produktionstiefe‘ bei Saba geringer werden würde. Voraussetzung dafür sei die Modul-Technik, die Zulieferung von Fertigteilen in größerem Umfang aus anderen Unternehmen der GTE ermögliche. Das werde aber keine Reduzierung der Belegschaft bei der Saba zur Folge haben.“20
Die amerikanische Konzernspitze suchte vermehrt Einfluss auf die Geschäftspolitik der SABA zu nehmen. Bei der nun durchgeführten Neuorganisation wurde Hermann Brunner-Schwer in seinen Entscheidungsrechten massiv beschnitten.21
Was viele befürchteten, trat ein. Im September 1975 kündigte Hermann Brunner-Schwer seinen Vertrag mit der GTE. Neuer Chef würde Hermann Mössner, den Brunner- Schwer einige Jahre zuvor selbst zu SABA geholt hatte.22
Damit war die Ära des Familienbetriebes bei der SABA endgültig zu Ende.
Trotz des Wechsels in der Führung erhielten sich nach den Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter einige Traditionen aus der Zeit des Familienbetriebs. So blieb Gretel Scherb zeitlebens den SABA-Mitarbeitern verbunden, kümmerte sich um die Kinder des SABA-Kindergartens, machte Geschenkpakete, wenn ein Mitarbeiterkind auf die Welt kam und nahm an Jubilarfeiern teil.23 Auch der besondere Zusammenhalt der SABA-Familie blieb weiter bestehen.
- StAVS 1.42.19 Nr. 6. Hermann Brunner-Schwer v. 26.10.1970. Memorandum- Brunner-Schwer sucht Entlastung und empfiehlt Herrmann Mössner von Telefunken. [↩]
- StAVS 1.42.19 „SABA- Organisationsstudie“ durchgeführt von Intermanagement Organisationsberatung und Sozialforschung Ges.m.b.H. Wien 1972 S. 1 [↩]
- SABA-Organisationsstudie S. 3 [↩]
- A.a.O. S. 3 [↩]
- A.a.O. S. 5 [↩]
- A.a.O. S5/6 [↩]
- A.a.O. S.7 [↩]
- A.a.O. S. 9 [↩]
- A.a.O. [↩]
- A.a.O. S. 12 [↩]
- A.a.O. S. 15 [↩]
- StAVS 1.42.19 Herrmann Brunner-Schwer: SABA – Zum Schluß doch kapituliert In: Elektro Radio Handel/ Heft 1/ 1977 S. 27 [↩]
- A.a.O. S. 27/28 [↩]
- Zum 31.12. 1972 hatte die SABA 4582 Mitarbeiter. [↩]
- StAVS 1.42.19 Herrmann Brunner-Schwer, Klausurtagung Brend, 20. September 1974 v. 19.9.1974 [↩]
- SWP 24.10.1974. Firma Saba gegen Gerüchte. [↩]
- SK 30.11.1974 Kurzarbeit und 200 Beschäftigte sollen entlassen werden. [↩]
- SK 26.3.1975 Bei Saba: Kurzarbeit bis in den Herbst. Siehe auch SWP 26.4.1975 „Das Verkäuferverhalten beim ‚Problemgerät Farbfernseher‘ ist der Grund, warum Saba seine am Beginn dieses Jahres eingeführte Kurzarbeitsperiode bis in den Herbst ausdehnen muss.“ [↩]
- Schwabo 25.6.1975 SABA blickt auf das schlechteste Jahr zurück. [↩]
- BZ 12./ 13. 4. 1975 [↩]
- StAVS 1.42.19 Herrmann Brunner-Schwer: SABA – Zum Schluß doch kapituliert In: Elektro Radio Handel/ Heft 1/ 1977 S. 28 Hermann Brunner-Schwer sollte nach den neuen Organisationsplänen im Herbst 1975 nur noch Repräsentant der SABA-Werke sein. Außerdem StAVS 1.42.19 Nr. 11 Kündigungsschreiben v. Hermann Brunner-Schwer [↩]
- SK 9.9.1975 Hermann Brunner-Schwer scheidet aus. … Hermann Mössner neuer SABA-Chef. Siehe auch: BZ 24.12.77 „Vor etwas mehr als zwei Jahren ist der Villinger Hermann Brunner-Schwer aus der Geschäftsführung der SABA-Werke ausgeschieden und hat auch seine letzten SABA-Anteile an den amerikanischen GTE-Konzern verkauft.“ [↩]
- Interview mit Wilfried Richter v. 3.9.2015 [↩]