Sozialgeschichte der Uhrenindustrie

Wem gehörte die Uhrenfabrik Kienzle?

geschrieben am: 05.06.2015 von: Annemarie Conradt-Mach in Kategorie(n): Uhrenfabrik Kienzle

Vom Handwerksbetrieb zur Aktiengesellschaft

Die beiden größten Schwenninger Unternehmen, die die Schwenninger Uhrenindustrie bis zu ihrem Niedergang in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts dominierten, wurden bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet, als Handwerksbetrieb oder als Handelsgeschäft. Die spätere Firma Kienzle, vormals Schlenker, begann 1822 als Handwerksbetrieb der Uhrmacherei wie die Firma Haller, gegr. 1842, deren Nachfolger 1928 mit Kienzle fusionierten, und die Firma Mauthe, die 1844 als Handelsgeschäft gegründet wurde, und sich unter anderem im Uhrenhandel engagierte.

1883 heiratete der Unternehmer Jakob Kienzle (1859-1935) in den bereits 1822 von Johannes Schlenker gegründeten Schwenninger Uhrmacherhandwerksbetrieb ein und entwickelte daraus mit seinem Schwager C.J. Schlenker die Uhrenfabrik Schlenker & Kienzle. ((Jan Lehmhaus, Tim Stefan Schmidt, Peter Welchering, Kienzle. Zürich 2008. S. 38-59. Georg Ehnes, Der Unternehmer Jakob Kienzle. S. 187- 190. In: Peter Kurz, 200 Jahre Schwenninger Uhren 1765-1965. Schwenningen 1965. Hans-Heinrich Schmid, Lexikon der deutschen Uhrenindustrie. Bd., Berlin 2012, S. 232-238))
Das Unternehmen expandierte rasch und überflügelte seine Konkurrenten vor Ort. 1913 übernahm Jakob Kienzle die Villinger Uhrenfabrik Werner. 1919 wurde aus der Uhrenfabrik Schlenker & Kienzle die Kienzle Uhrenfabriken KG. Persönlich haftende Gesellschafter waren Jakob Kienzle und seine Söhne Christian, Erich und Herbert. Diese übernahmen auch die Leitung der Kienzle Uhrenfabriken.

Familie Jakob Kienzle - Von links nach rechts: Martha, Christian, Alma, Erich, Agathe, Jakob, Hellmut, Elsa, Herbert. Es fehlen Marie und Oskar.

Familie Jakob Kienzle – Von links nach rechts: Martha, Christian, Alma, Erich, Agathe, Jakob, Hellmut, Elsa, Herbert. Es fehlen Marie und Oskar. Stadtarchiv Villingen-Schwenningen

1922 wandelte Jakob Kienzle sein Unternehmen in eine „Familien-Aktiengesellschaft“ um.

Nach dem Tod Christian Kienzles trat sein Bruder Hellmut Kienzle die Nachfolge im Vorstand an.

1928 fusionierten die Uhrenfabriken Kienzle und Thomas Ernst Haller in Schwenningen im Zuge der schweren Absatzkrise in der Uhrenindustrie. Damit traten Thomas Ernst Haller und Willy Haller in den Vorstand der Kienzle Uhrenfabriken ein. Im gleichen Jahr wurde in Villingen die Kienzle Taxameter und Apparate GmbH ausgegründet und vom Mutterunternehmen getrennt. (( Armin Müller, Kienzle. Ein deutsches Industrieunternehmen im 20. Jahrhundert. Stuttgart 2011. Darin: Die Gründung der Kienzle Taxameter und Apparate AG S. 23-28))

1945 war Dr. Ing. Robert Durrer (seit 1924 mit Jakob Kienzles Tochter Martha verheiratet) Aufsichtsratsvorsitzender, Hellmut Kienzle und Willy Haller Vorstände.

Obwohl die Kienzle-Uhrenfabrik bereits 1922 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, wurden die Aktien erst ab November 1951 an der Börse gehandelt. Einzelne Familienmitglieder „der inzwischen weit verzweigten Familie“ begannen  ihre Anteile zu verkaufen.  Die Geschäftsleitung versuchte allerdings geeignete Kapitalgeber zu finden, um das Risiko zu minimieren, eines Tages einen „unbequemen Großaktionär“ zu erhalten. „Durch die persönlichen Beziehungen von Fabrikant Prof. Dr. Ernst Hohner, einem Mitglied des [Kienzle-] Aufsichtsrates, gelang es, Kontakte zum Chef des Schweizer Oerlikon-Bührle-Konzerns anzuknüpfen.“ (( Im August 1963 schrieb der Wirtschaftsjournalist Gerd Kübler: in der Stuttgarter Zeitung über die Schwenninger Firma Kienzle unter dem Titel: Kienzle AG: Vorwärts trotz Uhrenflaute. Über 80 % des Kienzle Aktienkapitals seien in den Händen von zwei Großaktionären, 16 % des Unternehmens immer noch in Familienbesitz.))

1959 gehörten  Dr. Bührle über 51 Prozent des Kienzle Uhren- Aktienkapitals. Im August 1961 schieden Direktor Willy Haller und Direktor Hellmut Kienzle (( StAVS Chronik 7653 Hellmut Kienzle schied am 16. 2. 1962 freiwillig aus dem Leben.)) , ein Sohn des Firmengründers Jakob Kienzle, aus dem Vorstand der Kienzle Uhrenfabriken aus. ((StAVS 4.9-29. Schreiben der Kienzle-Geschäftsleitung vom August 1961.))  Dies war sicherlich auch eine Folge der geänderten Besitzverhältnisse. Damit ging die Ära des Familienunternehmens Kienzle in Schwenningen zu Ende.

1962 saßen im Kienzle-Uhren-Aufsichtsrat als Vorsitzender Professor Dr. Ing. Robert Durrer, Zürich, als stellvertretender Vorsitzender Professor Dr. phil. h.c. Ernst Hohner, Trossingen, und die Aufsichtsräte Dr. Dietrich Bührle, Zürich-Oerlikon, Dipl.-Ing. Willy Haller (( StAVS 7653 NQ 18.3.1956 u. NQ 1955. Thomas Ernst Haller (1878 – 1956), Sohn des Uhrenfabrikanten Thomas Haller (1854-1917) gründete zusammen mit seinem Vater 1903 eine Uhrenfabrik in Schwenningen. 1913 hatte das Unternehmen 1020 beschäftigte.  1928 wurde Thomas Ernst Haller durch die Fusion Vorstandsmitglied der Kienzle Uhrenfabriken, später war er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Willy Haller (geb. 1990) war nach dem 1. Weltkrieg Technischer Leiter der väterlichen Uhrenfabrik. Nach der Fusion mit der Kienzle Uhrenfabrik AG 1928 wurde er Vorstandsmitglied in der Geschäftsführung. Ab 1931 war sein Aufgabengebiet die „technische Gesamtleitung.“)) , Schwenningen, Ernst Hartmann, Automateneinsteller, Schwenningen, und Wilhelm Schick, Betriebsratsvorsitzender.

Zum Vorstand von Kienzle-Uhren gehörten Georg Ehnes ((StAVS 4.9-29, Georg Ehnes wurde 1961 Vorstandsvorsitzender bei Kienzle-Uhren. Er kam 1931  „im Zuge der damaligen Fusion“ zu den Kienzle-Uhrenfabriken. Neue Uhrmacherzeitung Ulm 19. Jahrgang 2/196, Direktor Ehnes von Kienzle im Ruhestand. „1912, kaum 20jährig, begann er seine berufliche Laufbahn in der damaligen Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik in Schramberg. Bereits 15 Jahre später übernahm er die Direktion der DUFA, Deutsche Uhrenfabrik Leipzig/ Mühlhausen (Thüringen), die 1931 mit der Kienzle Uhrenfabriken AG fusionierte.“))  als Vorsitzender,  Dr. Ing. Walter Schweizer (( StAVS 4.9-29 NQ v. 9.5.1964, Dr. Ing. Walter Schweizer war seit 1955 „Leiter einer selbständigen Forschungs- und Entwicklungsabteilung“ bei den Kienzle Uhrenfabriken. 1959 wurde er Vorstandsmitglied der Firma. 1964 wurde Schweizer an die technische Universität Berlin berufen.))  und Erich Hilser (( StAVS 4.9-29 Erich Hilser wurde am 6.6.1963 zum st5ellvertretenden Vorstandsmitglied der Kienzle Uhrenfabriken in Schwenningen bestellt. StAVS 4.9-29 VDU v. 12.11.1969. Am 31.10.1969 schied Erich Hilser aus der Geschäftsführung aus. ))

Erstmals auf der Hauptversammlung im Frühjahr 1963 trat Alfred Kreidler ((Der Spiegel v. 9.3.1981.  Nichts ohne mich. Durch den Starrsinn des Firmenpatriarchen geriet die Stuttgarter Kreidler-Gruppe in Not. Der Fall Kreidler ist exemplarisch für alternde Familien-Unternehmer. „Der gelernte Ingenieur Alfred Kreidler, Sohn des Firmengründers Anton, hatte nach dem Krieg um die Metall-Halbzeug-Werkstätten seines Vaters „ein kleines Imperium“ („Handelsblatt“) herumgebaut. Die alte Fabrik stanzte, preßte und drehte Einzelteile aus Messing, Aluminium und anderen Metallen für die Elektrobranche, die Bauwirtschaft oder die Uhrenindustrie. Folgerichtig gliederte Kreidler einen seiner wichtigsten Abnehmer, die Schwarzwälder Uhrenfabrik Kienzle, an. „Mehr als Hobby“ begann der unternehmungslustige Ingenieur auch mit dem Bau von Motorrädern und Mopeds; den Entwurf für das erste Modell hatte der Chef selber gezeichnet. Die Kreidler-Räder errangen etliche Weltrekorde und überstanden auch die Zweirad-Krise der sechziger Jahre. Schließlich umfaßte die Kreidler-Gruppe ein kaum noch zu entwirrendes Reich von 32 Firmen, von Beteiligungsgesellschaften und Klein-Banken in der Schweiz bis zu Kreidler-Filialen in Brasilien. Der erste Rückschlag kam mit der Umstellung der Uhrenindustrie auf die Elektronik. Wie viele europäische Hersteller hatte auch der Stuttgarter den aus Japan kommenden Trend zur Quarz-Uhr verschlafen. Die Kienzle-Belegschaft mußte auf die Hälfte reduziert werden. Heute baut die traditionsreiche Marke ihre Uhren fast nur noch aus angelieferten Teilen zusammen. Die Zeitenwende bei den Uhren veranlaßte den alternden Unternehmer, der die Pensionsgrenze schon weit hinter sich gelassen hatte, aber keineswegs, wenigstens den angestammten Bereich der Halbzeugfabrikate auf den neueren Stand der Technik zu bringen. Was in den kargen Nachkriegsjahren wohl eine Tugend war, wurde nun zum fatalen Anachronismus: Hinfällige Maschinen wurden aus überdrehter Sparsamkeit nicht ersetzt, sondern repariert — was am Ende mehr als die Neuanschaffung kostete. Vorhaltungen des Betriebsrats, doch endlich in neues Gerät zu investieren, blockte der alte Herr mit dem Spruch ab: „Was 75 Jahre gut war, kann auch noch 50 Jahre halten.“ Es hielt eben nicht so lange, und schließlich mußte die ganze Firma dran glauben.“))  als Kienzle-Aktionäre auf. Dieter Bührle ((Neue Zürcher Zeitung vom 12. November 2012,  „Der Zürcher Industrielle [ Dietrich Bührle] wurde am 31. Dezember 1921 im deutschen Ilsenburg im Harz geboren. 1924 zog die Familie nach Zürich. Dort studierte Bührle später Rechtswissenschaften. Als einziger Sohn trat er 1953 in den Rüstungskonzern seines Vaters Emil Georg ein. Er wurde Chef der Planungsgruppe Ausland und baute neue Fabriken in Indien und Ägypten auf. Bereits 1955 war er stellvertretender Geschäftsführer. Als der Vater 1956 überraschend starb, übernahm der erst 35-jährige Dieter Bührle die Bührle-Gruppe. Wirtschaftlicher Hauptpfeiler des Unternehmens war lange Zeit die Rüstungsindustrie, was dem Konzern wiederholt Kritik eintrug. Dennoch blieben Rüstungsgeschäfte auch nach dem Zweiten Weltkrieg das wichtigste Standbein des Konzerns, der mittlerweile Oerlikon-Bührle-Holding (OBH) hiess. Doch baute Bührle 1977 den zivilen Bereich seiner Unternehmung aus, indem er von Werner K. Rey die Bally-Schuh-Gruppe erwarb. In diesen Sektor gehörten auch die auf Hochvakuumtechnik spezialisierte Balzers AG in Liechtenstein, die Limmat-Versicherung sowie das Hotel «Zürich» in Zürich. Verkauft wurde im Gegenzug der grösste Teil des Werkzeugmaschinenbereichs. Ende der 1980er Jahre geriet der Bührle-Konzern in Schwierigkeiten. Er verlor viel Geld bei der Entwicklung eines Fliegerabwehrsystems, das sich nicht wie erwartet auszahlte. 1990 trat Dieter Bührle nach 34 Jahren an der Konzernspitze zurück. Seinen Rücktritt betrachtete der damals 69-Jährige als persönliche Niederlage. Fortan nutzte er seine Zeit für ausgedehnte Reisen, seine Freunde und nicht zuletzt sein Weingut in der Toskana, wie die Familie weiter schreibt.“))  hatte die Kreidler-Metallwerke für das Uhrenunternehmen interessiert. Damit besaßen 1963 Kreidler und Bührle zusammen über 80 Prozent des Aktienkapitals, die restlichen 16 Prozent des Unternehmens war immer noch in Familienbesitz. ((StAVS 7653 Der Volkswirt Nr. 34/ 23.8.1963. Kienzle Uhrenfabriken AG: Neubesitzer deklarierten sich. Trotz geringem Ertrag 5 (4) vH Dividende. „Das Geschäftsjahr 1962 hat der ‚Kienzle Uhrenfabriken AG‘ … einige einschneidende Veränderungen gebracht. Schon seit mehr als Jahresfrist war von einem Wechsel des Mehrheitsbesitzes die Rede – 80 vH des Aktienkapitals lagen bis dahin in Händen der Familie Kienzle. Auf der Hauptversammlung vom Juli 1963 traten nun die neuen Großaktionäre aus ihrer Anonymität heraus. Dabei handelt es sich um die schweizerische  Oerlikon-Gruppe (Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co., Zürich) und  die deutsche Kreidler-Gruppe (Kreidler’s Metall- und Drahtwerke GmbH, Kornwestheim). Zusammen mit den Anteilen der Familie Kienzle, die nur noch über knapp 16 vH des Aktienkapitals – also über weniger als die Sperrminorität – verfügt, sind damit 90 vH des Aktienkapitals in festen Händen. Wieweit Gerüchte zutreffen, die von einem neuerlichen Desinteresse der Schweizer Gruppe an Kienzle sprechen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat die Gesellschaft nach 140 Jahren seit ihrer Gründung den Charakter einer  Familiengesellschaft verloren“))

Kienzle-Uhren: In den 60er Jahren ein florierendes Unternehmen

Die Uhrenkrise der 60er Jahre machte sich auch bei Kienzle bemerkbar. 1963 zählte Kienzle zu den wenigen „florierenden Unternehmen der Uhrenindustrie“ in der Bundesrepublik. ((Gerd Kübler, Kienzle AG: Vorwärts trotz Uhrenflaute. Trotz guten Erfolgen und weiteren Expansionsabsichten ist kaum mit Kapital- und Dividendenerhöhungen zu rechnen. In: Stuttgarter zeitung Nr. 301/ 1963))

Kienzle Uhrenfabriken AG - Kennzahlen

Jahr196019611962
Umsatzerlöse in Mio DM39,8744,0447,93
Exportquote in % des Gesamtumsatzes413733
Beschäftigte Jahresende260027002600
Umsatz je Beschäftigtem in DM15 05016 62018 090
Lohn- und Sozialaufwand in Mio DM17,1419,2822,02
Lohnaufwand in % der Gesamtleistung43,142,845,9
Abschreibungen in Mio DM1,211,291,53
Aufsichtsrat: Professor Dr. Robert Durrer, Zürich (Vors.); Professor Dr. Ernst Hohner, Trossingen (stv. Vors.); Dr. Dietrich Bührle, Zürich-Oerlikon; Dipl. Ing. Willy Haller, Schwenningen; Ernst Hartmann, Schwenningen; Wilhelm Schick, Schwenningen. - Vorstand: Georg Ehnes (Vors.); Dr. Ing. Walter Schweizer, Erich Hilser (stellv.)
Daten entnommen aus: Kienzle Uhrenfabriken AG: Neubesitzer deklarieren sich. In: Der Volkswirt Nr. 34/ v. 23. 8. 1963. StAVS 7653 Schwenninger Uhrenfabriken

Der Marktanteil der Kienzle-Uhren hatte zwar gegenüber dem Vorkriegsniveau abgenommen betrug 1963 aber immer noch 12 Prozent, bei zurückgehender Exportquote, 1961 betrug diese 41 und 1962 nur noch 33 Prozent. Dafür konnte man den Inlandsabsatz in der gleichen Zeit um 21 Prozent steigern.
Diese verdankte das Unternehmen der Produktion von Batterieuhren und von technischen Uhren. Beinahe jede deutsche Autouhr (etwa 80 Prozent) wurde bei Kienzle produziert, selbst dann, wenn auf den Zifferblättern andere Markennamen standen.
Man plante nach der Geschäftsleitung stärker ins Hochpreissegment mit Armbanduhren einzusteigen.
Der Anteil der Armbanduhren an dem Kienzle-Sortiment betrug 25 Prozent.
Kienzle reagierte früh auf die asiatische Konkurrenz. Bereits 1961 gab es ein Abkommen mit der japanischen Uhrenfirma Hatori, das den Bezug von japanischen Rohwerken vorsah, nach den Vorstellungen von Kienzle in Japan gefertigt. Das Unternehmen war deshalb überzeugt, genug Spielraum gegenüber der deutschen und schweizerischen Konkurrenz auf dem Sektor Hochpreisuhren zu haben. Kienzle selbst stellte bei Armbanduhren 1963 nur noch einen Kalibertyp her, gegenüber 50 verschiedenen Typen in der Vorkriegszeit. Alle andren Kaliber wurden in Japan und in der Schweiz zugekauft.
„Freilich [gab] man in Schwenningen zu, daß das Japan-Geschäft noch sehr ausbaufähig [sei].“ Schließlich wurden 1963 immer noch etwa 95 v.H. der gesamten Kienzle-Erzeugung mit 2750 Personen in den beiden Schwenninger Werken und den dazu gehörenden Filialen produziert. Für mögliche künftige Kapazitätserweiterungen gab es genug Grundstücke und Gebäude, „die aus der Fusion mit der ehemaligen Uhrenfabrik Thomas Ernst Haller AG in Schwenningen“ herrührten.
Durchschnittlich betrug der Lohnkostenanteil der deutschen Uhrenfabriken 1963 bereits 50 Prozent, bei Kienzle stand man mit „ nur 45 Prozent“ der Fertigungskosten für Personalausgaben besser da.
Diese relativ günstige Situation wurde auf die erfolgreiche Entwicklungsabteilung von Kienzle-Uhren zurückgeführt, die verjüngt und durch akademisch gebildete Techniker und Wissenschaftler ergänzt worden war. Für die Entwicklung gab Kienzle 1962 1,4 Prozent des rund 48 Mill. DM betragenden Umsatzes aus.
Fremde Mittel mußten für ihre Finanzierung nur in relativ unbedeutendem Umfang hereingenommen werden, da das Unternehmen vor allem 1962 sich mit Erfolg um eine bessere Liquiditätslage bemüht hatte. (( Stuttgarter Zeitung, August 1963, Gerd Kübler: Kienzle AG: Vorwärts trotz Uhrenflaute. Über 80 % des Kienzle Aktienkapitals seien in den Händen von zwei Großaktionären, 16 % des Unternehmens immer noch in Familienbesitz.))Der Vorsitzer des Vorstands Georg Ehnes berichtet in der Hauptversammlung v.9. 7. 1963 : „Obwohl wir während des ganzen Jahres gut beschäftigt waren, gingen die Erträge infolge steigender Kosten und sinkender Erlöse zurück…  Bei etwas reduzierter Belegschaft sind die Personalkosten von 19,3 auf 22 Millionen gestiegen.  … Dazu ist notwendig, weiter zu rationalisieren. Darunter verstehe ich auch, dass nicht jeder alles selbst fabriziert, sondern sich mehr spezialisiert“. Kienzle müsse „für Forschung und Entwicklung noch mehr“ tun. Um am Markt zu bestehen,  brauche man Innovationen,  wie zum Beipiel die neue „Lichtuhr ‚Kienzle Heliomat‘ ((

Deutsches Uhrenmuseum Furtwangen: Die Uhrenfirma Kienzle hätte schon in den 1960er Jahren einen Beitrag zu „ressourcenschonender Energieerzeugung“ liefern können, denn damals kam die „Heliomat“, eine Tischuhr mit Solarantrieb, auf den Markt. Laut Verkaufskatalog war die Sonnenzellenfläche auf der Gehäuse-oberseite der Uhr so ausgelegt, dass eine „durchschnittliche tägliche Beleuchtung von 2400 Luxstunden ausreicht, um die vom Werk verbrauchte Energie nachzuliefern“. Zu beachten war also, die Uhr an einem hellen Ort aufzustellen, um genügend Licht einzufangen. Vielleicht hätte diese Nutzung der Solarenergie auch der staatlichen Förderung bedurft, denn mit 460 DM Verkaufspreis war die „Heliomat“ nicht gerade billig. Inv. 2010-058)) , die lichtelektrisch betriebene Uhr, in der die Energie des Lichts (Tageslicht oder künstliches Licht) mit Hilfe von photoelektrischen Zellen in elektrische Energie umgewandelt wird.“ ((StAVS 4.9-29, Kienzle berichtet über das Geschäftsjahr 1962))

Ausländischen Wettbewerber wurden bei Kienzle ernstgenommen.
In der Hauptversammlung 1964 führte Aufsichtsratsmitglied Prof.- Durrer aus „Qualitätsvorurteile gegen russische und japanische Uhren seien heute überholt“ Japan und Russland hätten eine moderne Uhrenindustrie aufgebaut, die der deutschen und der Schweizer Konkurrenz ebenbürtig sei. Kienzle hoffte außerdem, auf mehr Kooperation zwischen den einzelnen Uhrenunternehmen. „Aus diesem Grunde [wollte] das Unternehmen seine angestrebte höhere Produktion nicht durch eine Vergrößerung seiner Fertigungsanlagen ermöglichen, sondern in wachsendem Umfang zu der sogenannten verlängerten Werkbank übergehen, d.h. Vorlieferanten einschalten und auch in stärkerem Umfang als bisher sich im Wege der Lohnaufträge nicht genützte Produktionskapazitäten anderer Firmen nutzbar machen.“ Besonders stolz war man auf seine technischen Uhren. “Heute [komme] praktisch jede in einem deutschen Automobil eingebaute Uhr aus den Fabriken der Schwenninger Firma“. ((o.A. 15. Juli 1964. Kienzle für Zusammenarbeit in der Uhrenindustrie.))

Von der Aktiengesellschaft zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Die Veränderungen bei den Kapitaleignern zog entsprechende Änderungen der Firmenstruktur nach sich. Zum Jahresende 1964 wurde die Kienzle Uhren AG in eine GmbH umgewandelt. In der eigens einberufenen außerordentlichen Hauptversammlung argumentierte Geschäftsführer Erich Hilser ((StAVS 7653 FAZ 303 v. 31.12.1964/ 8 Kienzle Uhrenfabriken in GmbH umgewandelt.)) :

„Neben zwei Großaktionären (Kreidler und Bührle), die schon seit geraumer Zeit den größten Teil des  Kapitals besäßen, gebe es nur noch wenige Kienzle-Aktionäre. Kienzle sei immer eine Gesellschaft gewesen, die eine übersehbare Zahl von Eigentümern habe.“ Den Vorwurf eines Aktionärsvertreters, der in der Umwandlung zur GmbH „eine Publizitätsflucht“ sah, widersprach Hilser ausdrücklich.  Eine Interpretation, die sich aber in den einschlägigen Presseberichterstattung nicht durchsetzen ließ. (( A.a.O.  u. StAVS 4.9-29 Stgt. Zeitung 8.12.1964. Die Kienzle AG soll in eine GmbH umgewandelt werden. Aktienkapital ‚nahezu 100prozentig‘ in festen Händen – Außerordentliche HV einberufen.  „Schon zum Zeitpunkt der letzten Hauptversammlung des Unternehmens am 14. Juli 1964 waren rund 90 v.H. des 7,3 Mill. DM betragenden Aktienkapitals in festen Händen. Allein die beiden Großaktionäre der Kienzle AG – Dr. Dietrich Bührle, der Chef des Schweizer Oerlikon-Bührle-Konzerns sowie Dipl. Ing. Alfred Kreidler. Geschäftsführer und Mitinhaber der Kreidlers’s Metall- und Drahtwerke GmbH, Stuttgart – haben zu dieser Zeit jeweils 40 v.H. aller Aktien gehalten… Zahlen über die Größe des derzeitigen Streubesitzes machte die Firmenverwaltung zwar nicht; es wurde aber angedeutet, dass das Aktienkapital gegenwärtig ‚nahezu 100prozentig‘ im Festbesitz ist. Trotz den in den letzten Monaten erfolgten Aufkäufen der Hauptaktionäre, die weitgehend außerhalb der Börse abgewickelt wurden, muß es jedoch immer noch eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären geben… Von der geplanten Umgründung wird… die im Sommer dieses Jahres gegründete Schweizer Tochtergesellschaft des Unternehmens, die Kienzle Zürich AG, unberührt bleiben. Dieses Unternehmen, das Kapital von 3 Mill. Sfr. Voll im Besitz der Schwenninger Muttergesellschaft ist, wird  weiter in der Form einer Aktiengesellschaft betrieben werden.“ ))

Der Besitz der Großaktionäre wurde in dieser Versammlung mit 95,1 Prozent des Aktienkapitals von 7,3 Millionen DM angegeben. Man musste davon ausgehen, dass die Familien Kienzle und Haller ihre rund 10 Prozent Anteile am Aktienbesitz an die Großaktionäre verkauft hatten. „Gutunterrichtete Kreise“ waren bereits zu diesem Zeitpunkt der Meinung, „daß Kreidler über die einfache Mehrheit des Kapitals verfügen dürfte.“

Mit dem Ende des Jahres 1964 ging Kienzle-Direktor Ehnes in Ruhestand. „1912, kaum 20jährig, begann er seine berufliche Laufbahn in der damaligen Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik in Schramberg. Bereits 15 Jahre später übernahm er die Direktion der DUFA, Deutsche Uhrenfabrik Leipzig/ Mühlhausen (Thüringen), die 1931 mit der Kienzle Uhrenfabriken AG fusionierte.“ (( StAVS 4.9-29. Neue Uhrmacherzeitung Ulm 19. Jahrgang 2/1965. Direktor [Georg] Ehnes von Kienzle im Ruhestand.))

Chef der neuen Kienzle-Uhren GmbH wurde zum 1.1.1965 der stellvertretende Vorstand Erich Hilser.  Erich Hilser begann seine Arbeit bei Kienzle  im Februar 1963, im Juni 1963 wurde er stellvertretendes Vorstandsmitglied, am 16.4.1964 ordentliches Vorstandsmitglied. Mit der Änderung der AG in eine GmbH  am 1.1.1965 wurde Erich Hilser kaufmännischer Direktor und Geschäftsführer. (( StAVS Kienzle Reporter 37 / 1965))

Im Februar 1965 folgte Max Favret als Geschäftsführer und technischer Direktor bei Kienzle. Favret war Schweizer. Er begann seine Karriere bei Schweizer Uhrenfabriken. 1948 ging er in die USA zur Uhrenfabrik Elgin, später zu US-Time. Für dieses Unternehmen kam er 1959 nach Pforzheim. Schwerpunkt seiner Arbeit waren „Automatics“, und elektrische Armbanduhren. (( StAVS Kienzle Report 37 / 1965))

Ergänzt wurde die Geschäftsleitung (1966?) durch Dr. Hans Consilius, neuer Geschäftsführer für Finanzen und Verwaltung bei Kienzle. Consilius war 4 Jahre in Kriegsgefangenschaft, studierte Betriebswirtschaft in Köln. „Innerhalb seiner beruflichen Praxis war Dr. Consilius zuletzt Mitglied der Geschäftsleitung in der Holding-Gesellschaft eines Rheinischen Konzerns der Grundstoff-Industrie. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörten Finanz- und Verwaltungsfragen, Revisions- und Rentabilitätsprobleme sowie Sonderaufgaben der Geschäftsleitung.“ (( StAVS 4.9-29. Kienzle Report))

1966 wurde bekannt, dass Alfred Kreidler die Anteile von Bührle übernommen habe. Der Verband der deutschen Uhrenindustrie wurde von der Presse informiert. (( StAVS 4.9-29. Vgl. dazu ebenfalls Notiz: 20.5.1966 zu. Grüner „Veränderungen in den Beteiligungsverhältnissen bei der Firma Kienzle  Uhren GmbH.))

„Herr Wehr von den ‚Stuttgarter Nachrichten‘ und Herr Kübler von der ‚Stuttgarter Zeitung‘ teilten am 20. Mai [1966] telefonisch mit, dass sie von der Firma Kienzle GmbH. eine Nachricht erhalten hätten, wonach Bührle seine Beteiligung an der Firma Kienzle GmbH in vollem Umfang auf Kreidler übertragen habe.“  Damit war Alfred Kreidler „zum nahezu 100prozentigen Eigentümer der Kienzle GmbH geworden“. (( StAVS Stgt. Z. 21.5.1966. Kreidler übernimmt Kienzle-Anteile. „Damit dürfte Kreidler,… zum nahezu 100prozentigen Eigentümer der Kienzle GmbH geworden sein…. Die Übernahme der Kienzle-Anteile von Bührle durch Kreidler dürfte ein Teil einer größeren finanziellen Tauschaktion zwischen den beiden Beteiligten darstellen.“))

Die Kreidler-Gruppe beschäftigte 1969 zwischen 5000 und 6000 Mitarbeiter.  Auf dem Halbzeugmarkt nahm Kreidler 1969 „eine Spitzenstellung“ ein. Produziert wurde in vier Werken. „Der Umsatz von Kreidler – einschließlich der Zweirad-Produktion – [betrug] zwischen 170 und  200 Millionen DM … Abnehmer der Halbzeugsparte  [waren] die Elektroindustrie, die Fahrzeug-, die Maschinen-, Apparate-, Armaturenindustrie, die Schmuckwaren- und die kunstgewerbliche Industrie und die optische, feinmechanische und Uhrenindustrie… Die Halbzeugindustrie gehört[e] zu den wichtigsten Zulieferern der Uhrenindustrie.“

Der Zeitungsbericht von 1969 endete: „Wahrscheinlich sind nicht alle Aktivitäten der Kreidler-Gruppe bekannt… der Kreidler-Konzern betreibt fast gar keine Publizität. Auch von der  Uhrenfabrik Kienzle werden seit ihrer Umwandlung in eine GmbH nur spärliche Kommuniqués über die Entwicklung des Geschäfts veröffentlicht.“ (( StAVS 4.9-29 o.A. 25.3.1969 Die Kreidler-Motorradproduktion begann als ‚Hobby‘…. Der Konzern setzt mehr als eine Viertelmilliarde DM um. „Die Vorläufer des Unternehmens [gingen] auf das Jahr 1889 zurück. Das … Unternehmen [wurde] 1903 durch Anton Kreidler, den Vater … [von] Dipl.-Ing. Alfred Kreidler, in Stuttgart gegründet.“ Anton Kreidler hatte mit „der Fertigung von Feindrähten sowie von Freileitungsdrähten und Seilen aus Kupfer für elektrische Leitungen begonnen“. Der Umsatz von Kienzle übersteigt 1969 70 Millionen DM, das Unternehmen beschäftigt rund 2500 Personen.))

Dufa Aalto Regulator Df-9017 im Test › Chrononautix am 5. November 2017 um 17:12 Uhr

[…] So enstanden vor allem Standuhren unter dieser Marke. Bereits 11 Jahre später, im Jahre 1931, fusionierte die Dufa Deutsche Uhrenfabrik Leipzig/Mühlhausen (Thüringen) mit der Kienzle Uhrenfabriken AG. […]

Helmut Cramme am 6. Januar 2018 um 21:44 Uhr

Guten Tag und ein gutes neues Jahr,
ich habe schon 10 Jahre ein Weltzeituhr von Kienzle, nun steht sie schon seid einem Jahr.
Meine Frage nun gibt es für diese Uhr ein Ersatzuhrwerk.
Bitte geben Sie mir eine Rückmeldung,
Gruß Helmut Cramme

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