Guten Zukunftsaussichten für die deutsche Großuhrenindustrie?
Die Wettbewerbsfähigkeit der Großuhrenindustrie wurde 1969 vom DIVO-Institut noch als gut eingeschätzt1 .
„Die Produktion von Großuhren insgesamt ist in den letzten fünf Jahren ständig gestiegen. Die Wachstumsraten lagen zwischen rund 2 und 10 Prozent. Auffallend günstig ist die Entwicklung bei technischen Großuhren. Das Produktionsvolumen konnte bei diesem Uhrentyp seit 1963 mehr als verdoppelt werden. Das Absatzvolumen zeigt die gleiche Tendenz. Die Ausstattung deutscher Haushalte mit Großuhren ist mit Ausnahme von Weckern (61 %) relativ gering. Küchen-, Wand- und andere Großuhren besitzen nur etwa ein Drittel der Haushalte.“ Man glaubte also, dass die Verbraucher im Großuhrenbereich noch erheblichen Nachholbedarf hätten, vom Weckermarkt abgesehen.
„Auch in Zukunft ist bei Großuhren mit steigenden Wachstumsraten zu rechnen. Im Gegensatz zu Kleinuhren ist dieser Markt nicht durch eine Stagnation bedroht.“2 Auf einem expandierenden Markt herrsche ein weniger „scharfer Wettbewerb“ als auf „einem stagnierenden Markt.“3 Die Marktaktivitäten setzten „natürlich einen gewissen finanziellen ‚back ground‘… voraus, der bei größeren Unternehmen eher gegeben (sei) als bei mittleren und kleinen Firmen.“4
Schwierig könnte die Situation allerdings auf dem Weckermarkt werden. Auf dem Großuhrenmarkt waren die Wecker das mit Abstand am bedeutendste Produkt. „1968 wurden in der BRD rund 21,6 Mill. Wecker produziert. Davon war der größte Teil, nämlich ca. 19,8 Mill. Mit mechanischem Werk ausgestattet. Der Rest … hatte ein Batterie-bzw. Synchronwerk.“5 . Bei elektrischen Weckern engagierten sich auch Elektrofirmen wie Remington, General-Elektrik und Krups6 .
Marktvolumen von Großuhren 1967 in Prozent
Produkt | mengenmäßig | wertmäßig |
---|---|---|
Wecker | 66 % | 44 % |
Batterieuhren | 12 % | 21 % |
Wanduhren | 2 % | 9 % |
technische Uhren | 16 % | 19 % |
sonstige Großuhren | 4 % | 7 % |
Ähnliche Probleme wie bei den Kleinuhrenherstellern sah das DIVO-Institut auf dem Weckermarkt, „auf dem das billige Massenprodukt“ dominiere. Beim Wecker sei der Preis das wichtigste Kriterium bei einer Kaufentscheidung. Ein Unternehmen müsse den harten Preiswettbewerb aushalten7 .
Wohnraumuhren seien nicht mehr zeitgemäß, der Einrichtungsstil habe sich geändert8 . Die Autoren der Studie glaubten dieses Manko durch ein besseres Eingehen auf Käuferwünsche beheben zu können. Dies sei auch eine Strategie für kleinere Unternehmen9 .
Die Vorschläge der Wirtschaftsforscher zur Verbesserung der Situation für die Produzenten von Großuhren waren ähnlich wie für die Produzenten von Kleinuhren. Kleine Unternehmen sollten vor allem Produkte exklusiveren Charakters herstellen. Allerdings barg die Umstellung auf Exklusiv-Uhren auch die Gefahr, dass man am Markt vorbeiproduziere. Um diese Gefahr zu verringern, sei es dringend erforderlich, dass sich die Firmen weit mehr als bisher über Marktströmungen,-anforderungen,-tendenzen informierten und zwar permanent. Das sei nur möglich durch Ausbau der Aktivitäten auf dem Gebiet der Marktforschung: Jede Firma sollte eine Stelle besitzen, die sich mit der laufenden Marktbeobachtung beschäftigt und „ in regelmäßigen Abständen eingehende Marktanalysen erstellen lassen.“
Die gruppenwirtschaftlichen Untersuchung des Frankfurter DIVO-Institut für Wirtschaftsforschung, Sozialforschung und angewandte Mathematik ergab im wesentlichen „guten Zukunftsaussichten“ für die deutsche Großuhrenindustrie, „die mit Abstand größter Produzent und Exporteur von Großuhren in der Welt“ sei „und in der Gesamtproduktion von Uhren in der Weltrangliste vor den USA, der Sowjetunion und Japan an zweiter Stelle“10 stehe.
„Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass deutsche Hersteller von Großuhren durch Konkurrenz aus dem Ausland in ihrer Existenz nicht bedroht sind.“11 „Eine weitere Steigerung der Exporte erscheint durchaus möglich… Hinzukommt, dass eine Reihe von Ländern bisher kaum vom deutschen Großuhrenexport berührt worden sind und deshalb echte Nachfragereserven darstellen12 .
Als Ergebnis der gruppenwirtschaftlichen Untersuchung wurden schließlich folgende Aktivitäten für die Uhrenindustrie beschlossen13 :
• Aufbau einer Werbegemeinschaft
• Erstellung einer Elektrouhrenmappe für Uhrmacher, Uhrengroßhändler und Fachschüler, die Uhrenreparaturen unterstützen sollte
• Uhrmacherkurse auf dem Gebiet der elektronisch gesteuerten Uhr
• Entwicklung und Herstellung einer Quarzuhr
• Belieferung deutscher Armbanduhrenhersteller mit Quarzwerken.
• Ausarbeitung einer gemeinsamen Messestrategie
Wenige Jahre vor dem Konkurs der Firma Kaiser und der Firma Mauthe schätzten die Experten die Situation der deutschen Großuhrenindustrie falsch ein. Die heraufziehenden massiven Probleme einiger Weckerproduzenten wurden nicht gesehen bzw. unterschätzt.
Die Unternehmen selbst glaubten, sie seien stark genug die Situation ohne staatliche Hilfe, die an innovative Konzepte gebunden war, zum Guten zu wenden.
- A.a.O. Positive und negative Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Uhrenindustrie, speziell der mittleren und kleinen Unternehmen dieser Branche [↩]
- a.a.O.S.1 [↩]
- a.a.O.S.2 [↩]
- a.a.O.S.3 [↩]
- a.a.O.S.4 [↩]
- a.a.O.S.5 [↩]
- a.a.O.S.6 [↩]
- a.a.O.S.10 [↩]
- a.a.O.S. 12 [↩]
- SAVS 4.9-448 Zeitungsausschnitt o. Angaben [↩]
- a.a.O.S.13 [↩]
- a.a.O.S.14 [↩]
- SAVS 4.9-864, Robert Riker, Die Lage der Uhrenindustrie. In: Wirtschaft im Wandel 1/ 1971 [↩]